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Das Kopernikus-Syndrom

Das Kopernikus-Syndrom

Titel: Das Kopernikus-Syndrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Loevenbruck
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Aussehen eines Killers oder eines Hackers. Er hatte feine Gesichtszüge, halblanges schwarzes Haar und große blaue Augen, die erschrocken dreinblickten. Er trug Handschuhe.
    »Was beweist mir, dass Sie tatsächlich zur Gruppe SpHiNx gehören?«
    Der Mann dachte nach, dann antwortete er: »Ich … ich bin Damien Louvel. Sie haben neulich im Netz mit mir gesprochen. Ich habe Ihnen das Passwort AdB-4240 gegeben.«
    Das war tatsächlich das Passwort, das man mir übermittelt hatte. Dennoch gab es keine echte Garantie, immerhin hätte jemand unsere Unterhaltung belauschen können. Aber ich beschloss, mich zufriedenzugeben. Im Grunde glich er so wenig meinem Bild von einem Hacker, dass ich ihm einfach glauben wollte. Die Wahrheit ist immer viel überraschender, als man denkt. Ich steckte den Revolver in meinen Gürtel.
    »Freut mich, Monsieur Louvel … oder soll ich SpHiNx sagen?«
    Der Kerl schüttelte den Kopf. Er stand noch unter Schock.
    »Nennen Sie mich Damien, das reicht. Donnerwetter, Sie schlagen aber kräftig zu.«
    »Tut mir leid, aber Sie haben mir schließlich Ihre Waffe an die Schläfe gedrückt.«
    »Aber … aber was verdammt noch mal suchen Sie hier?«
    Ich zuckte amüsiert die Schultern.
    »Ich nehme an, das Gleiche wie Sie.«
    »Na ja, das ist aber nicht sonderlich klug. Wir hatten Ihnen doch geraten, diskret zu sein …«
    »Ich kann doch nicht nur Däumchen drehen …«
    Der Mann schüttelte langsam den Kopf. Er sah aus, als verstehe er mich. Oder als habe er Angst vor mir.
    »Ich habe Sie nur nicht gleich erkannt«, seufzte er. »Hübscher Haarschnitt!«
    »Man tut, was man kann.«
    Louvel lächelte jetzt. Ich fand ihn auf Anhieb sympathisch. Ich hätte es nicht genau erklären können, aber etwas in seinem Blick beruhigte mich, eine Art Komplizenschaft und eine aufrichtige Schlichtheit. Ich hatte den Eindruck, dass wir im gleichen Boot saßen. Seit mehreren Tagen führten wir jeder für sich dieselben Nachforschungen durch und hatten zumindest ein gemeinsames Ziel: die Wahrheit. Außerdem gefiel mir seine Hackerseite, ein Robin Hood der Zukunft. Doch ich musste auf der Hut bleiben. Das Leben lehrte mich unaufhörlich, dass ich niemandem vertrauen durfte.
    »Und was tun wir jetzt?«, fragte ich und warf einen Blick in Reynalds Einzimmerapartment.
    In der Wohnung herrschte ein unbeschreibliches Chaos. Eine alte Matratze lag auf dem Boden, die Möbel waren aus Resopal, Papiere und Bücher stapelten sich überall, vollgestopfte Sporttaschen standen herum, Kleidungsstücke bedeckten den Boden, beschriebene Blätter hingen an den Wänden. In der Ecke gegenüber dem Eingang befand sich eine offene Einbauküche und an der Wand gegenüber ein Fenster mit geschlossenen Läden, durch die das Licht einer Straßenlaterne sickerte.
    »Ich werde erst mal versuchen, wieder zu Atem zu kommen.«
    Der Hacker ordnete seine Sachen, rieb sich den Hals und atmete tief ein.
    »Nun«, sagte er schließlich, »da Sie jetzt hier sind, nehme ich an, dass Sie bleiben werden.«
    »Das dürfen Sie glauben. Ich bin hier, um Antworten zu bekommen, und eine innere Stimme sagt mir, dass ein paar in dieser Wohnung zu finden sind.«
    »Das glaube ich auch. Hören Sie, die Zeit drängt, Vigo. Wir dürfen hier nicht herumlungern. Ich weiß nicht, wie viel Zeit uns bleibt, bis die Bullen die Existenz dieser Wohnung entdecken. Helfen Sie mir also zu tun, was ich zu tun habe, und dann verschwinden wir von hier.«
    »Und was genau tun Sie?«
    Er holte eine kleine Digitalkamera aus der Tasche.
    »Ich mache Fotos, ich habe keine Zeit, alles mitzunehmen.«
    Mit einem Kopfnicken forderte er mich auf, ihm in die Mitte der Wohnung zu folgen.
    »Ich versuche, so viel wie möglich zu erfassen. Ich habe schon alles Mögliche von hier bis hier fotografiert«, sagte er und deutete auf die erste Hälfte des Zimmers. »Ich muss noch den Rest aufnehmen.«
    »Einverstanden.«
    »Warten Sie, ziehen Sie die über. Wir dürfen keine Spuren hinterlassen.«
    Er reichte mir Handschuhe, und ich schlüpfte hinein. Ich nahm seinen Revolver, zögerte kurz und gab ihn dann zurück. Er grinste, verstaute ihn, griff nach seiner Kamera und richtete sie auf die Dokumente, die er auf dem Boden ausgebreitet hatte.
    Unterdessen untersuchte ich die Wand der Küche, an der die meisten Dokumente hingen. Mein Blick fiel sofort auf ein bestimmtes Blatt, auf dem in riesigen Buchstaben von Hand geschrieben der Anfang des Satzes stand, den ich im SEAM-Turm gehört hatte:

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