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Das Kopernikus-Syndrom

Das Kopernikus-Syndrom

Titel: Das Kopernikus-Syndrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Loevenbruck
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»Transkranielle Augen, 88, die Zeit des zweiten Boten ist gekommen.«
    Ich glaubte, mein Herz bliebe stehen. Diese Worte bekamen plötzlich eine erschreckende Realität. Ich hätte sie nicht erfinden können. Außerdem schien das dafür zu sprechen, dass ich möglicherweise Reynald am Tag des Attentats gehört hatte. Ja. Daran bestand kein Zweifel. Doch der Satz ergab immer noch keinen Sinn für mich. Er musste aber etwas Wichtiges bedeuten. Er klang wie eine Parole, eine Art Schlachtruf … Wenn ich ihn nur enträtseln könnte. Ich erinnerte mich an die Fortsetzung des Satzes: »Heute die Zauberlehrlinge im Turm, morgen unsere mörderischen Väter im Bauch, unter 6,3.« So geschraubt der Satz war, die Antwort auf dieses Rätsel verbarg sich vielleicht in diesem Zimmer …
    Ich widmete mich wieder intensiv der Wand. Da hingen ein paar Presseausschnitte zumeist auf Englisch, einige schienen aus Wissenschaftszeitschriften zu stammen, andere aus dem Internet ausgedruckt. Ich las ein paar Überschriften: Auditory hallucinations and smaller superior temporal gyral volume in schizophrenia , dann Psychotische Störungen: schizophrene Störungen und chronische Wahnvorstellungen, darunter Increases blood flow in Broca's area during auditory hallucinations in schizophrenia und schließlich weiter unten TMS in cognitive plasticity and the Potential for rehabilitation . Reynald interessierte sich offensichtlich sehr für schizophrene Halluzinationen und für alle möglichen Themen in Zusammenhang mit den Neurowissenschaften.
    »Haben Sie das alles fotografiert?«, fragte ich und deutete auf die Artikel.
    »Ja, ja«, erwiderte der Hacker, ohne seine Arbeit zu unterbrechen.
    Fasziniert ging ich weiter. Plötzlich fiel mein Blick auf ein Dokument, das sofort eine Erinnerung in mir weckte. Es handelte sich um einen kurzen handgeschriebenen Text, in derselben Schrift wie der andere. Es war zweifellos Reynalds Handschrift. Und der Zusammenhang zum ersten Satz schien eindeutig: »Der zweite Engel blies seine Posaune. Da wurde etwas, das einem großen brennenden Berg glich, ins Meer geworfen. Ein Drittel des Meeres wurde zu Blut (Offenbarung, 8,8).« Wieder diese beiden Zahlen. Ich wandte mich erneut dem Hacker zu.
    »Und das … haben Sie das fotografiert?«, fragte ich mit zitternder Stimme.
    Louvel hob wieder den Kopf.
    »Aber ja«, sagte er mit gereizter Stimme. »Alles, was an den Wänden hängt.«
    Er zeigte mir einen Berg von Blättern neben sich.
    »Wollen Sie mir helfen? Schauen Sie die Papiere durch und legen Sie sie dann auf den Boden.«
    Ich kehrte der Wand den Rücken und betrachtete die Dokumente, die Louvel fotografierte. Zwei Blätter fielen mir ins Auge: Architekturpläne, die Reynald mit Notizen versehen hatte. Der erste mit der Überschrift Der Turm zeigte eindeutig den SEAM-Turm. Der zweite dagegen erinnerte mich an kein bestimmtes Gebäude, aber Reynalds Überschrift verwies erneut auf den geheimnisvollen Satz: ›Der Bauch‹.
    Mein Herz schlug wie wild. Meine Reise war nicht umsonst gewesen. Es war noch etwas verschwommen, aber ich war davon überzeugt, dass alles, was wir hier fanden, uns bei unserer Nachforschung mit Riesenschritten voranbrachte, vorausgesetzt natürlich, es gelang uns, den Satz zu enträtseln.
    Wir waren noch eine gute halbe Stunde damit beschäftigt, alles zu fotografieren, was uns wichtig erschien: viele Dokumente, persönliche Fotos, Bücher, Handbücher, Material, das zur Herstellung selbstgebastelter Sprengkörper dienen konnte, und alle möglichen sonstigen Gegenstände. Einige waren für uns vielleicht ohne Bedeutung, aber lieber ein bisschen zu viel Eifer als zu wenig. Bald gelangten wir zu der Überzeugung, dass wir alles erfasst hatten. Damien Louvel verstaute seine Kamera und klopfte mir auf die Schulter.
    »Los, machen wir uns aus dem Staub.«
    Ich nickte, warf einen letzten Blick auf die Wohnung und hoffte, dass wir nichts übersehen hatten. Nirgendwo hatte ich ein Dokument entdeckt, das jenes mysteriöse ›Protokoll 88‹ erwähnte, das jedoch das entscheidende Element in der ganzen Geschichte zu sein schien. Aber wir hatten bereits vieles gefunden, es war ein guter Anfang. Ich machte kehrt und folgte dem Hacker. Er schloss die Tür hinter uns, dann gingen wir schnellen Schrittes die Treppe hinunter.
    Die Rue du Château war menschenleer. Ich atmete erleichtert auf. Unser Coup war eindeutig gelungen. Meine innere Stimme sagte mir, dass wir uns dem Ziel näherten. Oder

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