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Das Kopernikus-Syndrom

Das Kopernikus-Syndrom

Titel: Das Kopernikus-Syndrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Loevenbruck
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wissen?«
    »Alles.«
    »Aha … nichts leichter als das. Wie üblich. So, jetzt hätte ich doch gern was zu trinken, denn ich sehe schon, die Nacht wird lang.«
    Louvel grinste und brachte uns etwas zu trinken.
    »Gut, fassen wir mal zusammen«, sagte die Wissenschaftlerin in belehrendem Ton: »Das Prinzip der TMS besteht darin, mit einem Elektromagneten ein lokales Magnetfeld zu erzeugen, das durch den Schädel strahlt und im Allgemeinen in einer Tiefe von zwei bis drei Zentimetern die elektrische Aktivität der Hirnrinde verändert.«
    »Ja, das hat uns Lucie schon gesagt. Aber ich muss gestehen, es fällt mir schwer, daran zu glauben. Das ist schrecklich.«
    Liéna zuckte die Schultern.
    »Aber nein, übertreib mal nicht. Die TMS ist ein wissenschaftliches Verfahren, das heutzutage in den kognitiven Neurowissenschaften häufig verwendet wird, seit etwa zwanzig Jahren. Bei meinen neurolinguistischen Forschungen greife ich regelmäßig darauf zurück.«
    »Ah ja? Du wühlst in den Gehirnen der Menschen herum?«
    »Ja … Es sind schließlich Freiwillige, und ich versichere dir …«
    Ich bemerkte die unauffällige Reaktion von Badji und Louvel. Der Begriff ›freiwillig‹ hatte für uns drei eine ganz besondere Bedeutung, von der die Wissenschaftlerin nichts wissen konnte.
    »Na schön, die TMS steckt noch in den Kinderschuhen. Die Entwicklung geht nur sehr langsam voran, weil diese Forschung ernsthafte ethische Probleme aufwirft, dennoch ist es eine wirklich vielversprechende Technik.«
    »Und wozu soll sie gut sein?«
    »Für vieles. Viele Wissenschaftler haben angefangen, mit Hilfe der TMS die Wahrnehmung, die Aufmerksamkeit, die Sprache und das Bewusstsein zu erforschen. Außerdem hat man herausgefunden, dass sie sich zur Behandlung von motorischen Fehlfunktionen wie Epilepsie, aber auch von Depressionen, Angstzuständen und Schizophrenie eignet.«
    Wiederum spürte ich Louvels Blick auf mir. Wir erkannten langsam den direkten Zusammenhang zu meiner Geschichte.
    »Grob betrachtet«, fuhr Liéna fort, »ist der Schädel ein sehr guter elektrischer Isolator, und es ist praktisch unmöglich, die elektrische Aktivität im Gehirn von außen durch die Anwendung eines elektrischen Feldes zu verändern. Doch mit einem Magnetfeld funktioniert es. Die Technik der TMS beruht auf dem Prinzip der elektromagnetischen Induktion, die Faraday Anfang des 19. Jahrhunderts entdeckt hat.«
    »So lange liegt das schon zurück?«, wunderte sich Damien.
    »Ja. Er hat als Erster bewiesen, dass ein durch eine Spule geleiteter elektrischer Strom in einer zweiten Spule Strom erzeugen kann. Der Strom in der ersten Spule erzeugt ein Magnetfeld, das dafür sorgt, dass die Stromerzeugung in der zweiten Spule erfolgt. Verstanden?«
    »Ja, bis hierher geht's noch.«
    »Das ist also das Prinzip der Induktion. Im Fall der TMS wird die zweite Spule durch die Neuronenmembran ersetzt, und das elektrische Feld der Spule, die man direkt oberhalb des Schädels anbringt, bewirkt eine Aktivierung der Neuronen. Der Grundgedanke war der, dass die TMS-Spule einen starken Strom von sehr kurzer Dauer erzeugt, einen Impuls also, der seinerseits ein Magnetfeld erzeugt. Wenn dieser Impuls schnell wechselt, induziert dieses Magnetfeld ein elektrisches Feld, das ausreicht, um die Neuronen lokal zu aktivieren, das heißt das elektrische Potenzial ihrer Zellmembranen zu verändern.«
    »Das ist ja grauenhaft! Man jongliert mit Strom in den Köpfen der Menschen?«
    »Beim elektromagnetischen Feld ja. Aber weißt du, das ist eine nichtinvasive, schmerzlose Technik, die nur ganz entfernt etwas mit dem Elektroschock zu tun hat, der auch immer noch angewandt wird. Bei dieser Technik hört man nur ein Klicken, das von dem elektrischen Strom herrührt, der in die Spule geleitet wird.«
    »Entzückend! Und wie sieht das in der Praxis aus?«
    »Man bringt eine Spule direkt über dem Schädel an. Aber ich versichere dir, dass der Betroffene kaum etwas spürt. Die Spule hat gewöhnlich die Form einer Acht, was eine Optimierung des induzierten elektrischen Felds ermöglicht.«
    »Und das Gehirn wird dadurch nicht in die Luft gesprengt?«
    »Aber nein. Was denkst du denn? Im Übrigen ist die Wirkung der TMS bislang nur von kurzer Dauer. Sie hält nur kurze Zeit nach der Aktivierung an. Aber wenn man jemandem mehrere Tage lang mehrere TMS-Sitzungen verordnet, kann die elektrische Aktivität in seinem Hirn in der von der TMS angeregten Zone für einige Wochen, ja sogar Monate

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