Das Kopernikus-Syndrom
Octopus«, fuhr Liéna fort, »ermöglicht es, schwache Magnetfeldimpulse zu erzeugen, und zwar mit einer komplexen Struktur, die elektrische Aktivität im Corpus amygdaloideum erzeugt.«
»Was ist das?«
»Der Mandelkern, der Sitz der Emotionen im menschlichen Gehirn. Die Gefahr besteht darin, dass die zufällige Zerstörung dieser Region bei dem Probanden jede Art von Emotion töten könnte.«
»Aha … Wissenschaft ohne Gewissen …«
»Ja. Diese Lebensweisheit sagen wir uns täglich im Labor laut vor. In der Vergangenheit hat derselbe Persinger jedoch bewiesen, dass die verlängerte Magnetstimulation des Temporallappens langfristig die Leistungsfähigkeit im Inneren des Hippocampus verbessert.«
»Und kannst du das auch übersetzen?«
»Das erleichtert die Speicherung von Informationen, das erhöht die Merkfähigkeit. Neuesten Meldungen zufolge versucht Persinger noch weiter zu gehen. Er arbeitet an der Modifizierung der kognitiven Fähigkeiten und an der Veränderung von Bewusstseinszuständen. Würde man andere Zonen stimulieren und die Form der Magnetwellen modifizieren, dann wäre sein Apparat ihm zufolge in der Lage, bei dem Probanden einen Zustand der Hyperaufmerksamkeit zu erzeugen.«
»Nichts leichter als das.«
»Ja. Na schön, dieser Doktor Persinger ist eine sehr umstrittene Persönlichkeit. Aber er ist kein Scharlatan, und glaube mir, ich bin immer auf der Hut, ich erkenne jeden Scharlatan auf eine Entfernung von tausend Kilometern. Ich lasse mich nicht von solchen Typen täuschen, die ihre Ergebnisse fälschen, wie dieser Koreaner Hwang Woo-suk mit seinen gefälschten Veröffentlichungen über therapeutisches Klonen. Nein, Persingers Arbeit ist durchaus ernst zu nehmen, auch wenn sie ziemlich brisante ethische Bereiche berührt.«
»Okay. Und könnte deiner Meinung nach TMS auch beim Militär angewandt werden?«
Liéna lachte schallend.
»Also was nun?«
»Mein armer Freund! Wenn du wüsstest, wie oft mir die US-Army Traumsummen geboten hat, damit ich das CNRS aufgebe und für sie arbeite! Das Militär steht immer als Erstes auf der Matte. Und glaub mir, es zahlt besser als die Holzköpfe vom Forschungsministerium.«
»Und wozu könnte TMS den Militärs nutzen?«
Sie zuckte die Schultern.
»Du siehst, wir nähern uns jetzt ein wenig der Science-Fiction.«
»Ich liebe Science-Fiction«, ermunterte Louvel seine Freundin. In diesem Augenblick kam Lucie an den Tisch.
»Ich habe einen Bärenhunger«, rief sie flehend. »Bestellen wir uns eine Pizza?«
»In Ordnung, wir haben Mitleid«, erwiderte Badji.
Louvel warf Liéna und mir einen fragenden Blick zu.
»Ich habe bereits gegessen«, erwiderte die Wissenschaftlerin. »Ich habe Kinder und führe ein normales Leben. Ich esse nicht zu allen möglichen Zeiten. Und außerdem: Ich will euch ja nicht entmutigen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass um diese Zeit noch eine Pizzeria aufhat.«
»Keine Angst«, erwiderte Lucie, »wir kennen eine, die bis spät in die Nacht geöffnet hat. Damien, soll ich eine SpHiNx spezial bestellen?«, schlug die junge Frau vor.
Der Hacker grinste.
»Ja. Mit doppelt so viel Paprika und ohne Pilze.«
Lucie gab die Bestellung per Telefon auf.
»Gut«, fuhr Damien ungeduldig fort. »Also Liéna, zu welchem Zweck könnte die Armee TMS benutzen?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Was vermutest du?«
»Gut, aber ich warne dich, das ist alles reine Theorie, nur Spekulation.«
»Nur keine Angst, streng deine Phantasie an.«
»Die Armee könnte zum Beispiel versuchen, Supersoldaten zu schaffen, indem sie das Gehirn der Soldaten manipuliert.«
»Wie?«
»Ich weiß nicht, es gibt tausend mögliche Anwendungen. Man könnte sich theoretisch vorstellen, dass sie bestimmte Brodman-Areale ihrer Soldaten stimulieren.«
»Was für Areale?«, unterbrach Damien sie.
»Brodman. Korbinian Brodman ist ein Wissenschaftler, der 1901 eine Art Kartographie des Gehirns anfertigte. Er hat die Großhirnrinde in mehrere Zonen eingeteilt, die man die Brodman-Areale nennt und die es ermöglichen, die genauen Funktionen jedes Gehirnabschnitts festzustellen.«
»Gut, aber zu welchem Zweck könnte die Armee die Brodman-Areale ihrer Soldaten stimulieren wollen?«
»Noch mal, das ist alles nur Theorie, ich weiß es nicht. Aber man könnte sich vorstellen, dass sie zum Beispiel ihre Sehschärfe verbessern wollen, indem sie die visuellen Areale stimulieren, die hauptsächlich die Brodman-Areale 17, 18 und 19 sind.«
»Das würde
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