Das kostbare Opfer
ihres
Pullovers zu urteilen glaubte sie ebenfalls an den Erfolg von Werbung.
»Ich hätte gern Mrs. Farnham
gesprochen«, sagte ich.
»Selbstverständlich.« Die
Blondine nickte. »Sie hat gerade eine Besprechung mit einem Kunden, mit Mr.
Cornish. Wollen Sie warten?«
»Warum nicht?« sagte ich. »Ich
hab’s nicht eilig, so lange ich hier sitzen und Sie anschauen kann.«
»So was Unverschämtes!« Sie
schlug die Lider vor mir nieder. »Sind Sie verheiratet?«
»Nein.«
»Ein Spesenkonto?«
»Nein.«
»Das ist gut«, sagte sie. »Aber
andererseits ist es wieder schlecht.«
»Ich bin Polizeibeamter«,
erklärte ich.
Sie holte tief Luft und beugte
sich über ihren Schreibtisch zu mir herüber. So wie sie das Holz berührte,
mußte sie ziemlich abergläubisch sein. »Polizeibeamter!« wiederholte sie
atemlos. »Wegen ihrem Mann, nicht wahr?«
»Man könnte sagen, daß ich
dienstlich hier bin«, sagte ich.
»Ich wette, ich kann Ihnen
behilflich sein.« Plötzlich senkte sie ihre Stimme zu einem Flüstern. »Ich habe
mir schon immer gedacht, an der Art, wie ihr Mann überfahren wurde, ist was
komisches. Sie und dieser Mr. Cornish, die sind... Na ja, Sie wissen schon!«
»Hat er ein Spesenkonto?«
Die Blondine schaute mich mit
aufrichtigem Staunen an. »Sie haben noch nie von Calvin Cornish gehört? Ihm
gehört die Aufrecht-Mieder-Fabrik.«
»Vielleicht braucht er welche«,
sagte ich. »So etwas soll vorkommen. Wenn man nicht auf die Kalorien aufpaßt
und...«
»Da kommt er«, flüsterte sie.
Ich sah auf und beobachtete den
großgewachsenen grauhaarigen Mann mit dem kleinen adretten Schnurrbart, der
durch das Büro zur Tür ging. Nachdem er draußen war, sah ich die Blondine aufs
neue an. »Ich glaube, das bedeutet, daß Mrs. Farnham jetzt frei ist.«
Sie machte ein enttäuschtes
Gesicht. »Ich werde ihr bestellen, daß Sie hier sind. Wie war noch der Name?«
»Wheeler«, sagte ich. »Leutnant
Wheeler vom Büro des County Sheriffs.«
Eine Minute später betrat ich
Mrs. Farnhams Büro. Sie saß hinter einem großen
,Leitende-Angestellten‘-Schreibtisch und hatte eine ernste
,leitende-Angestellte‘-Miene aufgesetzt. Ich schloß die Tür hinter mir und trat
näher an den Schreibtisch heran. »Mrs. Farnham? Ich bin Leutnant Wheeler.«
»Habe ich etwas verbrochen?«
fragte sie kühl.
Ich stand vor dem Schreibtisch
und sah sie mir ausgiebig an. Mrs. Farnham war brünett, hatte kohlrabenschwarze
Augen und einen großen Mund. Sie trag ein schwarzes Kostüm und eine weiße
Bluse. Dies alles trag zu einem gewissen Effekt der Sprödheit bei, doch selbst
der strenge Schnitt ihres Kostüms vermochte nicht die anmutigen weiblichen
Kurven darunter zu verbergen. »Ich bin damit beschäftigt, einige
Nachforschungen über den Tod Ihres Gatten anzustellen, Mrs. Farnham«, erklärte
ich. »In diesem Zusammenhang möchte ich Sie einiges fragen.«
»Aber natürlich. Bitte, setzen
Sie sich doch, Leutnant.«
»Danke.« Ich ließ mich in den
am nächsten stehenden Sessel sinken und schaute sie an.
»Ich fürchte nur, daß ich Ihnen
nicht viel sagen kann«, fuhr sie fort. »Ich war nicht dabei, als es geschah,
und...«
»Ich weiß«, sagte ich. »Sie
befanden sich hier in Ihrem Büro. Ein Fall von Fahrerflucht.«
»Und Henry war betrunken.« Ihre
Unterlippe verzog sich ein bißchen. »Wie gewöhnlich.«
»War er Alkoholiker?«
»Ich glaube, man könnte es so
nennen«, gab sie zu. »Wenn er kein Alkoholiker war, so bemühte er sich verdammt
darum, wie einer zu wirken. Vielleicht ist ‚Seltener Vogel‘ die richtige
Bezeichnung.«
»Sie müssen ihn sehr geliebt
haben.«
Sie ließ die Schultern hängen.
»Entschuldigen Sie. Es klingt seltsam und hört sich gar nicht so an, als käme
es von einer jungen Witwe. Aber die vergangenen sechs Monate habe ich für
seinen Unterhalt gesorgt. Ich habe mich abgefunden mit seiner Trunkenheit,
seinen Beschimpfungen, seinem Geflenne, seinen —«
»Ich verstehe Sie«, sagte ich.
»Sie haben sogar seine Versicherungsprämien gezahlt.«
»Ich habe alles gezahlt«,
antwortete sie tonlos. Ich zog eine Packung Zigaretten aus der Tasche und bot
ihr eine an, die sie annahm. Sie legte ihre Hand über die meine, um das
Streichholz an die Zigarette zu führen; die Berührung ihrer Finger war kühl und
unpersönlich.
»Ich stelle mir vor, daß Sie es
gewöhnt sind, sich Leidensgeschichten anzuhören, Leutnant. Bitte entschuldigen
Sie.«
»Ist schon gut«, sagte ich.
»Jedenfalls gibt es
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