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Das kostbare Opfer

Das kostbare Opfer

Titel: Das kostbare Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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übliche
unangenehme Geräusch von sich, und ich rannte zur Tür, für den Fall, daß es
Venus selber war, die kam, um sich zu entschuldigen. Und so war es auch — oder
zumindest beinahe.
    Annabelle Jackson stand in der
Tür, ein erwartungsvolles Lächeln auf den Lippen. Sie trug wieder dieses
Abendkleid, die Geheimwaffe, die der Süden im Bürgerkrieg 61/65 nie eingesetzt
hatte, weil man sich vor den verheerenden Folgen fürchtete.
    Sie ging an mir vorbei ins
Wohnzimmer, und ich schloß schnell die Tür für den Fall, daß sie versuchen
sollte, wieder zu entwischen. Als ich zu ihr kam, hatte sie schon das Licht
ausgeknipst und saß auf der Couch. »Ich habe noch nie was von halben Sachen
gehalten«, sagte sie. »Und Sie, Al?«
    »Ganz bestimmt nicht«, sagte
ich und sank neben ihr auf die Couch.
    »Wir sind mitten in einem
wissenschaftlichen Experiment unterbrochen worden«, sagte sie leise. »Ich
wollte herausfinden, ob Sie es waren, vor dem ich Angst hatte, oder ob ich vor
mir selber Angst hatte, wenn ich bei Ihnen war. Erinnern Sie sich?«
    »Ich erinnere mich«, sagte ich
selig.
    Ich lehnte mich in die Polster
zurück, während sich ihre Arme um meinen Hals legten und die Atomspaltung
erneut einsetzte, als ihre Lippen sich auf meine preßten. Ich wußte nicht, wie
lange dieser Clinch dauerte — wer mißt schon ekstatische Augenblicke mit der
Stoppuhr? Aber schließlich merkte ich, daß sie mich nicht mehr küßte.
    Ich kannte den Grund. Manchmal
muß man einfach Luft holen. Ich legte mich noch bequemer hin und wartete
geduldig. »Du darfst mich noch mal küssen, Schätzchen«, murmelte ich. »Laß mich
die Magnolienblüten von deinen Lippen pflücken!«
    Plötzlich ging das Licht an,
und die Helle tat nur in den Augen weh. Ich setzte mich auf und sah Annabelle,
die an der Tür stand und ihre Handtasche in der Hand hielt.
    »Haben Sie was vergessen?«
fragte ich heiser.
    »Tut mir leid, Al«, sagte sie
liebenswürdig. »Aber das Experiment ist zu Ende.«
    »Zu Ende?« sagte ich
verständnislos. »Aber wir haben ja doch noch gar nicht angefangen.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Zu
Ende. Ich habe rausgekriegt, was ich wissen wollte. Ich habe weder vor Ihnen
Angst, noch vor mir, wenn ich bei Ihnen bin. Sie langweilen mich.«
    »Was?« gurgelte ich.
    »Das hätten wir also«, sagte
sie. »Ich glaube, ich gehe jetzt heim und geh’ mal früh ins Bett. Vielen Dank
für Ihre Mitarbeit, Al, das war wirklich ganz reizend von Ihnen.«
    »Warten Sie mal ’ne Minute«,
sagte ich. »Wie war das denn gestern abend? Da war’s doch ganz anders!«
    »Stimmt«, sagte sie. »Aber das
Experiment ist unterbrochen worden, erinnern Sie sich? Ich glaube, es ist
einfach unmöglich, die gleichen Ingredienzien ein zweites Mal
zusammenzukriegen. Zu ärgerlich, aber Sie mußten ja wegrennen und Mrs. Cole
helfen, nicht?« Ihr Lächeln wurde noch um einen Grad süßer. »Gute Nacht, Al.
Träumen Sie was Schönes.« Sie ging hinaus und schloß sanft die Tür hinter sich.
    Jetzt wußte ich, wie Cornish
zumute gewesen war, als er sich selber die Kehle durchschneiden wollte. Ich
griff nach meiner eigenen Medizinflasche und schenkte mir eine doppelte Dosis
ein. Ich schluckte sie auch brav hinunter, aber es half nicht viel, so daß ich
mir eine zweite zuführte.
    Dann klingelte es schon wieder.
Dieses Mal beeilte ich mich nicht. So wie das Schicksal mich heute schon
behandelt hatte, konnte jetzt nur ein Beamter vom Finanzamt draußen stehen.
    Ich öffnete vorsichtig die Tür
und blieb dann sprachlos stehen. Candy lächelte ein bißchen nervös, dann ging
sie an mir vorbei ins Wohnzimmer. Ich schloß die Tür und folgte ihr.
    Sie drehte sich um und sah mir
entgegen. »Ich hab’s mir überlegt«, sagte sie kleinlaut. »Wer braucht schon
Brillanten? Und schließlich — ein Nerz ist eigentlich dafür da, um auf vier
Beinen herumzulaufen. Meinst du nicht auch?«
     
    ENDE

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