Das Krähenweib
versuchte, ihr Gesicht zu schützen.
Die Schmerzen waren unvorstellbar. Die Wunden von gestern Nacht rissen wieder auf, neue fraßen sich in ihr Fleisch. Blut tränkte ihr Kleid. Ihr gesamter Rücken fühlte sich an, als würde Mertens ihr die Haut abziehen.
Gleich wirst du sterben, durchzuckte es sie, und sie konnte nicht anders, als gegen die Pein anzuschreien, bis sie keine Luft mehr bekam.
Da hielt der Henkersgeselle inne. Jedoch nicht, um aufzuhören.
Er packte sie an den Haaren und schleifte sie mit sich zur Treppe. »Du wirst nie wieder versuchen, mir wegzulaufen. Kennst du die Ringe in den Dachbalken? An die werde ich dich binden und dich prügeln, bis nichts mehr von dir übrig ist.«
Annalena wimmerte auf, aber nicht nur wegen der höllischen Schmerzen. Angst, Hass und Zorn tobten in ihr. Er würde sie töten. Sie musste etwas tun.
An der Treppe angekommen, spannte Annalena plötzlich die Muskeln ihrer Gliedmaßen an, riss sich los und rannte nach oben. Zu den Messern, dachte sie. Wenn ich erst mal eines der Messer in der Hand halte, wird er sich einen weiteren Hieb überlegen.
Doch kurz bevor sie den Boden erreicht hatte, schloss sich seine Hand wie eine eiserne Kralle um ihren Knöchel. Annalena stürzte und rutschte mehrere Stufen hinunter, als Mertens an ihrem Fuß zerrte.
Obwohl sie am Rande ihrer Kraft war und die Schmerzen weiße Punkte vor ihren Augen tanzen ließen, gelang es ihr, sich herumzuwälzen. Sie versetzte ihm mit dem freien Fuß einen harten Tritt.
Mertens ruderte mit den Armen, doch das half nichts, er kippte mit einem überraschten Gesichtsausdruck nach hinten und schlug mit dem Kopf auf dem Boden auf. Es gab ein dumpfes Geräusch, dann rührte er sich nicht mehr.
Annalena schnappte nach Luft, und kroch auf dem Rücken weiter nach oben, ohne dabei die Augen von der Gestalt am Boden abzuwenden. Als sie sah, dass Mertens tatsächlich liegen blieb, mischte sich ein seltsames Triumphgefühl unter die trommelnden Herzschläge in ihrer Brust.
Taumelnd hielt sie sich am Treppengeländer fest, während sie den reglosen Körper ihres Mannes betrachtete.
Hatte er sich das Genick gebrochen?
Sie wagte nicht, das zu überprüfen. Schnell lief sie die Treppe hinunter, dann an Mertens vorbei. Der Gedanke, dass seine Hand zur Seite schnellen und sie festhalten könnte, ließ sie fast stolpern in ihrer Hast.
Du musst hier weg. Verschwinde, bevor er wieder zu sich kommt und sich an dir rächt. Oder sie dich des Mordes bezichtigen.
Rasch holte sie sich noch ihren Mantel, der ihr helfen würde, sich in der Dunkelheit zu verbergen. Dann huschte sie hinaus in die Nacht.
Was kommen würde, wusste sie nicht, aber dieser Hölle war sie entronnen.
Zunächst irrte Annalena ziellos durch die Stadt, dann beruhigten sich ihre Gedanken genug, um einen Plan zu machen. Die Stadttore waren verschlossen, und die Wächter würden gewiss keine Ausnahme für sie machen. Aber vielleicht fand sie neben der Kirche ein Versteck, in dem sie bleiben konnte, bis es Morgen wurde.
Jeder Schatten, auch ihr eigener, ließ sie auf dem Weg zusammenzucken. Ihr Herz raste so heftig, dass das Blut in ihren Adern pochte und ihr Kopf schmerzte.
Wo sollte sie hin? Sie wusste nur, dass sie nicht hierbleiben konnte, egal, ob Mertens tot war oder nicht.
Plötzlich schoss eine Hand aus dem Dunkel und schloss sich wie eine Kralle um ihren Arm. Annalena schrie auf, denn sie glaubte, dass es Mertens war. Doch es war das Gesicht der Witwe Gennings, in das sie angstvoll blickte. Die Frage, was sie so spät noch draußen machte, stellte sie vor lauter Schreck gar nicht.
Die Frau las kurz in ihren Augen und ließ ihren Blick über ihre Wunden streifen, dann sagte sie: »Komm mit, Mädchen.«
Ehe sie sich versah, fand sie sich im Haus der Witwe wieder. Dort bugsierte sie die alte Frau auf einen Stuhl, klapperte dann im Vorratsraum herum, und kam mit einem Tiegel wieder, aus dem sie eine seltsam riechende Salbe auf Annalenas Blutergüsse, Schrammen und Striemen strich, nachdem sie mit einem feuchten Tuch vorsichtig das Blut abgewischt hatte.
»Hast es endlich gewagt, Mädchen?«
»Ich weiß nicht, wovon Ihr sprecht«, entgegnete Annalena ängstlich. Doch sie wusste, dass ihre Lüge nur zu offensichtlich war. Ihre Verletzungen ließen sich mit keinem noch so heftigen Sturz erklären.
Die Witwe Gennings kicherte in sich hinein. »Du weißt es schon. Es wurde Zeit, dass du dich von ihm losmachst.«
Annalena senkte stumm den
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