Das Krähenweib
seine Truppen zu verstärken und neues Kriegsgerät zu besorgen. Was käme da gelegener als ein Bursche, der Gold machen und ihn von allen finanziellen Sorgen befreien konnte?
Die Reise diente nicht nur dazu, den Goldmacher zu Gesicht zu bekommen, sie hatte auch noch einen unterhaltsameren Zweck: Endlich würde er seine geliebte Fatime wieder in die Arme schließen und ihren Geschichten von fernen Ländern lauschen können. Endlich würde er für wenige Momente vergessen können, dass er der polnische König war, den ein Schwedenbengel besiegt hatte und den die Schulden drückten.
Um peinliche Zusammenstöße zwischen ihr und seiner polnischen Mätresse zu vermeiden, hatte er sich entschlossen, Fatime in Dresden zu lassen. Die Lubomirska konnte eine Wildkatze sein, und er wollte nicht, dass die zierliche Türkin in ihre Krallen geriet.
Das letzte Mal hatte er sie im September besucht, unter dem Vorwand, den Wiederaufbau seines vom Brand beschädigten Schlosses begutachten zu wollen. In Wirklichkeit hatte er Fatime überzeugen wollen, endlich eine leidenschaftliche Nacht mit ihm zu verbringen, denn bis dahin hatte sie sich ihm immer noch verweigert. Fatime war sehr auf ihre Keuschheit bedacht gewesen, sie hatte sich sogar einen Keuschheitsgürtel anfertigen lassen. Doch letztlich hatte sie ihn freiwillig abgenommen, überwältigt von seinem allseits gerühmten Charme und seiner Lebensfreude.
Er konnte es kaum erwarten, sie wiederzusehen.
Als er seinen Blick aus dem Fenster richtete, tauchte Dresden gerade vor ihnen auf. Er konnte die Kirchtürme ausmachen und den Turm seines Schlosses, einige Häuser der Pirnaischen Vorstadt und den Festungswall, der den Stadtkern umschloss. Seit er die Regierung angetreten hatte, war die Stadt stetig gewachsen. Das seit dem Brand von 1685 nahezu brachliegende Alt-Dresden war einer Neustadt gewichen, die mittlerweile den Vergleich mit anderen Städten nicht mehr scheuen musste. Es gab eine Postlinie zwischen Leipzig und Dresden, und man konnte sich über die Zahl ausländischer Besucher und die Summe der Zölle, die sie zahlten, nicht beklagen.
August hatte bereits ein genaues Bild im Kopf, wie er die Stadt eines Tages verschönern und vergrößern würde, damit sie eines Königs würdig war. Das alte Schloss würde irgendwann einem neuen weichen, und er hatte auch vor, eine neue Kirche zu errichten. Wenn er in vielen Jahren diese Welt verließ, sollte man sich für alle Zeiten an ihn erinnern.
Endlich erreichte der Tross das Pirnaische Tor. Die Verkleidung war so überzeugend, dass sich die Wachen tatsächlich erkundigten, woher die Männer kamen. Natürlich verlangten sie auch Zoll, aber dann erkannten sie den Hauptmann der kurfürstlichen Garde und nahmen mit roten Köpfen und zahlreichen Verbeugungen davon Abstand.
Da der Besuch nicht angekündigt war, erwarteten ihn auch keine jubelnden Massen – genauso, wie es August gewollt hatte. Vor den Augen der Welt seine Macht zu demonstrieren und ein wichtiges Geschäft im Geheimen zu tätigen, waren zweierlei Dinge. Wenn es angebracht war, würde er seinen Einzug feiern lassen – heute jedoch nicht.
Immerhin schickte August einen Boten zum Palais Fürstenberg voraus, damit seine Ankunft zumindest den Statthalter nicht allzu überraschend traf. August wusste, dass Fürstenberg ein vielbeschäftigter Mann war, und er wollte jedem Risiko aus dem Weg gehen, dass der Mann einen Schlagfluss erlitt – immerhin hatte er das vierzigste Lebensjahr bereits überschritten, ein gefährliches Alter für Männer.
Während der Bote davonsprengte, wandte der König sich an Wolf Dietrich von Beichlingen, seinem Vertrauten und Großkanzler. Beichlingen wurde von vielen als Emporkömmling angesehen, doch tatsächlich hatte er erst vor kurzem durch einen bezahlten Genealogen erfahren, dass seine kleinadelige Familie einige hochherrschaftliche Beziehungen vorweisen konnte. Davon abgesehen, hatte er ein hervorragendes Talent, mit Leuten zu sprechen, und daher hatte August ihn an den Hof geholt, um diplomatische Aufgaben zu versehen.
In der Situation mit dem Goldmacher war sein Können besonders gefragt, denn August wollte auf keinen Fall, dass der preußische König erfuhr, dass er direkt involviert war. Die Weigerung, Böttger auszuliefern, hatte Friedrich sehr erbost und August hatte gar mit einem militärischen Übergriff in Wittenberg gerechnet, was sich hoffentlich durch das Fortschaffen Böttgers von der Grenze vermeiden ließ.
»Meint
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