Das Krähenweib
Ihr, dass unser Goldjunge schon da ist?« August zog ein Tuch aus seinem Ärmel und hielt es sich unter die Nase. Ihm haftete der Duft eines orientalischen Parfüms an, das ihn stets an seine schöne Türkin erinnerte.
»Gut möglich«, entgegnete Beichlingen, der den Geruch ebenfalls wahrnahm und wusste, was er zu bedeuten hatte. »Nehmitz ist sehr gewissenhaft, und sicher wird er darauf gedrungen haben, Fürstenberg gleich bei seiner Ankunft zu sprechen.«
Ja, das musste August ihm lassen, Nehmitz war gewissenhaft, manchmal sogar ein wenig penetrant, aber er erreichte sein Ziel.
»Meint Ihr, dass dieser Pabst von Ohain der richtige Bewacher für Böttger ist? Wir haben zwar einige löbliche Dinge von ihm gehört, aber diese Aufgabe ist herausfordernd für einen Mann allein.«
Der Hüttenmeister Gottfried Pabst von Ohain war ein Vorschlag Fürstenbergs gewesen, um den Goldmacher im Auge zu behalten.
»Ich denke schon, Eure Majestät, dass er geeignet ist«, entgegnete Beichlingen. »Fürstenberg hält große Stücke auf ihn.« Er richtete seinen Blick aus dem Fenster und sah etwas, das ihn zu der nächsten Frage inspirierte. »Meinen Eure Majestät, dass der Bursche würdig wäre, ins Goldhaus gebracht zu werden?« Er deutete auf den Bau, an dem sie gerade vorbeizogen. Er wirkte noch immer imposant, doch der Kurfürst wusste ebenso wie sein Großkanzler, dass dem Gebäude die Zeit der Vernachlässigung zugesetzt hatte. »Ein fähiger Alchemist könnte dem alten Gemäuer ein wenig von seinem alten Glanz zurückbringen.«
»Wenn es stimmt, was man von ihm erzählt, sicher«, stimmte August ihm zu. »Ich wäre sogar bereit, seinetwegen etwas Geld in die Renovierung des Goldhauses zu stecken. Aber wir sollten abwarten und nicht den Tag vor dem Abend loben. Er wäre nicht der erste Goldmacher, den ich wegen Betruges hängen würde.«
August stieß ein Lachen aus, in das Beichlingen und die beiden anderen Männer in der Kutsche sogleich einstimmten. Doch der Großkanzler wusste nur zu gut, welche Hoffnungen der Kurfürst auf die Goldmacherei setzte – und dass er sich diesmal sicher war, den richtigen Mann gefunden zu haben.
Die Ankunft des königlichen Trosses brachte jegliche Tätigkeit im Schloss für ein paar Minuten zum Erliegen. Alles stürmte auf die Fenster zu. Da Annalena nahe am Fenster stand, war sie noch vor Martha und den anderen dort angekommen und hatte die beste Sicht auf das Geschehen. Da störte es sie auch nicht, dass sie sogleich von den anderen Mägden eingekeilt wurde. Nach allem, was sie gehört hatte, brannte Annalena darauf, den Kurfürsten mit der polnischen Königskrone mit eigenen Augen zu sehen, wenn auch nur aus der Ferne.
Der Besuch Augusts kam für alle überraschend. Erst als die Kutschen schon fast da waren hatte man hier in der Küche Bescheid bekommen, und es schien, dass nicht einmal der Statthalter von der Rückkehr des Königs gewusst hatte. Dementsprechend konnte niemand die sonst üblichen Vorkehrungen für die Ankunft des Herrschers treffen. Den Küchenmeister hatte die Nachricht jedenfalls in helle Panik versetzt.
Auch die Gerüchteküche begann, sogleich zu brodeln. Kam der Kurfürst zurück, weil es Schwierigkeiten in Polen gab? War der Schwedenkönig so weit vorgerückt, dass es für August in Warschau bedrohlich wurde? Oder war er seiner polnischen Mätresse überdrüssig und suchte Zerstreuung in den Armen seiner schönen Türkin? Und wenn Letzteres stimmte, warum dann diese Geheimniskrämerei? Jedermann im Schloss wusste doch von Fatime, und gewiss war es Ursula Lubomirska, Gräfin von Teschen, auch nicht entgangen, dass er hier ein zweites Eisen im Feuer hatte. Warum sollte also niemand wissen, dass der Kurfürst auf dem Weg nach Dresden war?
»Es ist komisch, dass er schon wieder zurück ist«, wisperte Martha, während sie den Hals lang machte, um besser sehen zu können. »Er war grad erst vor zwei Monaten hier, und es hieß, dass er vor dem neuen Jahr nicht wieder nach Dresden kommen würde.«
»Bestimmt hat er sich mit seiner Polin gestritten. Sie soll ja ein hitziges Temperament haben. Oder seine Frau will wieder etwas von ihm«, mutmaßte Lina, die direkt neben Annalena stand und ihr mit ihrer Körperfülle nicht nur den Platz streitig machte, sondern auch den anderen die Sicht nahm.
»Seine Frau?«, entgegnete Martha und schnaubte spöttisch. »Sie ist doch vom Hof verschwunden, weil sie ihm den Übertritt zu den Katholischen nicht verziehen hat.
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