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Das Krähenweib

Das Krähenweib

Titel: Das Krähenweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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sein Weg führte.

    In den nächsten Tagen gewöhnte sich Annalena nicht nur an die Arbeit und den Dialekt der Menschen hier, sie erfuhr auch einiges über den Hof und den Kurfürsten. Es blieb bei ihrer doch recht langweiligen Arbeit nicht aus, dass man sich die Zeit ein wenig mit Schwatzen vertrieb – vor allem, wenn der Küchenmeister gerade nicht da war, um ihnen auf die Finger zu schauen und Kopfnüsse zu verteilen.
    Die Küchenjungen und Mägde gaben dabei jede Neuigkeit zum Besten, die sie irgendwo aufschnappten, und da sie die meiste Zeit im Schloss verbrachten, drehten sich die Gespräche vorrangig um das Leben hier. Annalena war natürlich eine willkommene Zuhörerin, da sie auch den alten Geschichten fasziniert lauschte. So erfuhr sie vom Brand des Schlosses im Frühjahr und davon, dass es wahrscheinlich ein rauschendes Fest geben würde, wenn die Bauarbeiten abgeschlossen waren. Das bedeutete nichts anderes, als dass in der Küche von früh bis spät gebraten und gesotten werden musste – doch ein Fest dieses Ausmaßes würde auch dem Personal zugutekommen, denn die Reste des Mahls würden an sie fallen.
    Natürlich hatte das Küchenpersonal auch jede Menge Klatsch vom Hof auf Lager. Dazu gehörten Geschichten über die Mätressen des Kurfürsten Friedrich August, den man hier nur August den Starken nannte, seit er es geschafft hatte, ein Hufeisen mit bloßen Händen auseinanderzubiegen. Seine Favoritin war momentan eine Polin, Ursula Lubomirska, die er zur Gräfin von Teschen erhoben hatte. Sie entstammte dem polnischen Adel und war verheiratet, aber das hielt den Kurfürsten und König nicht davon ab, dem Ehemann für eine satte Abfindung regelmäßig Hörner aufzusetzen. August erhoffte sich, dass durch diese Verbindung der polnische Adel ein wenig gnädiger gestimmt werden würde, denn dieser sah es alles andere als gern, einen Ausländer zum König zu haben – obwohl sie ihn doch gewählt hatten und er der polnischen Krone wegen zur katholischen Konfession übergetreten war.
    Doch es kam noch besser, der eigentliche Klatsch fing hier erst an. August hatte eine zweite Geliebte. Diese war zwar nicht offiziell zur Mätresse erhoben worden, aber sie genoss hier in Dresden alle Vorteile dieses Standes. Eine Türkin sei sie, sagten die Mägde, und die Küchenjungen erzählten sich, dass er sie von einem englischen Offizier geschenkt bekommen habe, als sie selbst noch ein Kind war. Als Heranwachsende habe sie bei der fürstlichen Mätresse Aurora von Königsmarck gedient, doch die Königsmarck hatte vor kurzem die Gunst des Fürsten verloren und Fatime, wie der Name der Türkin lautete, war inzwischen zu einer schönen Frau herangewachsen.
    »Sie sieht beinahe so aus wie du, nur dass deine Haut heller ist«, meinte Martha und stieß ihr neckend den Ellbogen in die Seite.
    Mittlerweile hatten die Mägde mitbekommen, dass sie ziemlich still war, und so ließen sie keine Gelegenheit aus, um sie ein wenig aus ihrer Scheu hervorzulocken.
    Annalena wusste dies zu schätzen, versuchte aber dennoch, so unsichtbar wie möglich zu bleiben. Da sie sich diesmal das Quartier mit drei anderen Mägden, unter ihnen auch Martha, teilen musste, war noch größere Vorsicht geboten als in Röbers Haus. Sicher würden es die Frauen nicht gutheißen, eine mutmaßliche Verbrecherin unter sich zu haben, und sie würden im Gegensatz zu Johann wohl kaum glauben, dass diese Narben nicht die Überbleibsel einer Strafe waren.
    Glücklicherweise gab es nichts, woran man ihre Herkunft als Henkerstochter erkennen konnte. Für das Personal hier war sie einfach die stille Berlinerin, die man mit allen Mitteln versuchen musste aufzutauen. Zumindest schien sich Martha das auf die Fahnen geschrieben zu haben, denn es war nicht das erste Mal, dass sie Annalena ganz bewusst in Verlegenheit brachte.
    »Ich bin mir sicher, dass ich nicht wie eine Türkin aussehe«, gab sie zurück, obwohl sich das nicht gerade gewandt anhörte und gewiss nicht Marthas Spottlust mildern würde.
    »Nein, deshalb sage ich ja, deine Haut ist heller«, entgegnete sie grinsend. »Und deine Augen auch. Aber du hast genauso schwarzes Haar wie sie. Seine Majestät liebt Frauen mit Haaren, die aussehen wie Krähenfedern.«
    Wieder der Vergleich mit den Krähen! Martha zwinkerte ihr zu und erinnerte sie damit an ihre Worte vor der Orangerie. Dass Krähen in ihren Augen schöne, anmutige Geschöpfe waren.
    Die anderen Mägde kicherten und die Küchenjungen bedachten

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