Das Krähenweib
hatte, aber dann konnte sie schon längst von hier verschwunden sein.
»Aber davon hat doch niemand gewusst!«, rief Fürstenberg aus, bevor er kurz nachdachte. Der Verdacht, der ihm dann kam, war ebenso offensichtlich wie falsch, aber das kümmerte Annalena nicht. Sollte er doch glauben, dass Beichlingen ein doppeltes Spiel spielte.
»Ihr müsst unbedingt verhindern, dass er ihnen in die Hände fällt«, flehte Annalena den Statthalter an. »Er sagte immer, dass er Ihrer Majestät August dem Starken dienen wollte und niemand anderem.«
Obwohl Fürstenberg noch immer verwundert darüber war, dass Böttger eine Freundin hatte und diese auch noch in den Diensten der Mätresse stand, schien er ihrer Behauptung doch Glauben zu schenken. »Wache!«, rief er scharf, und die beiden Männer, die ohnehin nichts Gutes von Annalena erwartet hatten, schienen nun zu glauben, dass sie sie vor die Tür setzen oder sogar einsperren durften. »Ihr werdet diese Frau hier zu meinen Gemächern führen und auf sie aufpassen.«
Die Wächter salutierten gehorsam, und Fürstenberg wandte sich noch einmal an Annalena. »Solltest du gelogen haben, wirst du deine Strafe erhalten, damit du es weißt.«
Annalena nickte und verzog keine Miene. Der Statthalter würde schon sehen, wem er am Schwarzen Gang begegnete. Ganz sicher nicht dem Mönch mit dem Kopf unter dem Arm.
Nachdem sie sich noch einen Moment lang in die Augen gesehen hatten, wandte er sich um und Annalena wurde in das erste Stockwerk des Fürstenberg-Palais geführt.
Die kommenden Stunden waren quälend für Annalena, nicht nur, weil sie auf Fürstenbergs Rückkehr warten musste.
Obwohl das Gemach, in das man sie geführt hatte, prachtvoll war und dem Auge viel an Schönheit bot, hatte Annalena keinen Blick dafür. Die Ereignisse der vergangenen Stunden verfolgten sie.
Seit Berlin war nichts so gelaufen, wie es sollte, ging es ihr durch den Sinn. Vielleicht hätten wir nicht in Wittenberg halten sollen, vielleicht hätten wir gleich woanders hingehen sollen. Nach Mecklenburg oder nach Dänemark. Oder vielleicht zu dem Gehöft im Wald.
Doch sie sah ein, dass es müßig war, sich einen anderen Weg zu wünschen, wo man den falschen bereits beschritten hatte und in die Falle geraten war. Jetzt war es nur noch wichtig, dass Johann den Preußen nicht in die Hände fiel. Wenn sonst schon nichts gelang, dann wenigstens dieser kleine Triumph.
Sie richtete ihren Blick seufzend gen Himmel, wo ein einsamer Stern inmitten des nächtlichen Purpurblaus, das Dresden wie eine Decke überspannte, aufleuchtete. So einsam wie Johann in seinem Gefängnis, ging es ihr durch den Sinn.
Hufgetrappel ertönte schließlich. Als sie auf den Hof hinunterschaute, erkannte sie Fürstenbergs Männer. Ist es ihnen gelungen, die Preußen und diesen verdammten Röber zu fangen? Doch so schnell die Reiter gekommen waren, so schnell verschwanden sie auch wieder in der Dunkelheit. Dennoch tat sich etwas. Schritte näherten sich dem Gemach, die Tür wurde geöffnet, und herein trat einer der Wächter, die sie hierher begleitet hatten. »Seine Durchlaucht Fürst von Fürstenberg will dich sehen.«
Annalena nickte, strich sich die Schürze glatt, als würde es noch etwas nützen, und folgte dann dem Wächter. Der Statthalter erwartete sie in seinem Kabinett. Offenbar war er gerade erst zurück.
»Man stelle sich vor, diese Burschen haben sogar die Dreistigkeit besessen, in den Schwarzen Gang zu kriechen!«, sagte Fürstenberg und warf seine Reithandschuhe und den Degen auf die Tischplatte. Dann öffnete er die Knöpfe seines Rockes. Ohne offenkundig aufgeregt zu wirken, ging von ihm eine zornige Aura aus, die jeden seiner Untergebenen gewiss zurückschrecken ließ. »Aber wir sind ihrer habhaft geworden. Wie es aussieht, hat Sie die Wahrheit gesprochen!«
Annalena atmete zitternd durch. Es war vorbei. Röber und seine Spießgesellen waren gefangen genommen worden. Zumindest das war eine gute Nachricht.
»Was ist mit Johann?«, fragte sie, worauf Fürstenberg sie erstmals direkt ansah.
»Was soll mit ihm sein? Der Umstand, dass einer der Männer entkommen zu sein scheint, zwingt mich dazu, ihn hierzulassen. Ich kann kein Risiko eingehen, das versteht Sie sicher.«
Annalena nickte. Also blieb er weiterhin ein Gefangener.
»Sie weiß hoffentlich, dass Sie uns mit Ihrem Wissen gefährlich werden könnte«, fuhr Fürstenberg fort. »Außer dem engsten Kreis des Kurfürsten weiß niemand auch nur den Namen
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