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Das Krähenweib

Das Krähenweib

Titel: Das Krähenweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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auf Annalena Habrecht. Wahrscheinlich würde Mertens ihre Leiche bereits heute Nacht im Fluss verschwinden lassen. Die Vorstellung daran ließ ihn lächeln.

    Annalena öffnete die Augen, als ein verbrannter Geruch in ihre Nase stieg. Für einen kurzen Moment wusste sie weder, wo sie war, noch was geschehen war. Sie schmeckte Blut in ihrem Mund, und schließlich setzte die Erinnerung an den Überfall wieder ein.
    Panik überfiel sie. Sie hatte den Angreifer nicht gesehen, doch viele Möglichkeiten gab es nicht. Ihr Entführer war entweder einer der Preußen oder das Ungeheuer, von dem Röber gesprochen hatte. Ihr Herz krampfte sich zusammen und in ihrem Magen rumorte es, als sie versuchte, den Kopf zu drehen.
    Wo bin ich? Was machen die mit mir? Wollen sie mich töten?
    Der Versuch, ihre Arme zu bewegen, scheiterte. Fesseln schnürten sich tief in ihre Handgelenke und ließen ihr kaum Spielraum. Diesmal war sie wirklich ausgeliefert. Es würde keine helfende Kerzenflamme geben.
    Annalena schluchzte angstvoll auf, als sie Schritte vernahm. Eine Tür öffnete sich knarrend und wurde daraufhin wieder verriegelt. Ihr Häscher war zurückgekehrt. Sie bebte am ganzen Körper, versuchte ihr Schluchzen allerdings zu unterdrücken, indem sie ihren Kopf an der Schulter barg. Mit schweren Schritten kam der Mann auf sie zu, während er ein Liedchen summte. Der bekannte Klang seiner Stimme ließ Annalenas Atem stocken, als drücke ihr jemand die Kehle zu.
    Mertens!
    Lieber Gott, nein, flehte sie im Stillen und schloss die Augen, als sie spürte, dass er sie musterte. Wenn ich mich schlafend stelle, verschont er mich vielleicht noch für einen Augenblick. Vielleicht fällt mir etwas ein.
    Als Mertens weiterging, öffnete Annalena die Augen. Ihre Wangen waren tränenfeucht und sie versuchte, gegen das unkontrollierbare Klappern ihrer Zähne anzukämpfen. Sie sah sich um, in der verzweifelten Suche nach einem Ausweg. Mertens stand mit seinem breiten Rücken zu ihr. Er legte sorgsam seine Instrumente bereit. Zangen, Daumenschrauben, Haken und ein Schwert.
    Als Mertens sich wieder herumdrehte, kämpfte sie gegen die Panik in ihrem Leib an und stellte sich bewusstlos.
    Seit wann ist er hier?, fragte sie sich. Wie lange schon hat er mich beobachtet und auf seine Chance gewartet?
    Wieder drohte die Panik sie zu überwältigen, als sie daran dachte, was er mit ihr tun würde. Doch unter all der Angst und Verzweiflung, entdeckte sie auch ihren Kampfwillen.
    Ich bin diesen ganzen Weg nicht gegangen, um von ihm abgeschlachtet zu werden, sagte sie sich. Mein Vater wollte, dass ich mich nicht für wertlos halte, und ich bin nicht wertlos. Ich werde mich wehren, und wenn es das Letzte ist, was ich tue.
    Wieder begann Mertens mit seinem unsäglichen Summen. Diesmal mischten sich in ihre Angst auch Hass und Zorn. Verdammt, hör auf damit!, schrie es in ihr. Aber die Vernunft riet ihr, dass sie besser still blieb. Solange sie bewusstlos schien, hätte Mertens keine Lust, sie zu quälen.
    Schließlich ging das unmelodische Summen in Worte über. »Du hast gedacht, dass du mir entkommen kannst, wie?«, brummte er. »Aber nicht mit mir, mein Täubchen. Du bist mein Eigentum, und ich kann mit dir machen, was ich will. Einen untreuen Hund schlage ich tot. Und genauso halte ich es mit einem untreuen Weib.«
    Ein Schluchzen stieg in ihrer Kehle auf, da hörte sie plötzlich die Stimme ihres Vaters in ihrem Geist. Lass nie ein Unrecht zu, das dir zugefügt werden soll.
    Es war an der Zeit, dass es aufhörte. Sie hatte es schon einmal geschafft, sich gegen Mertens zu wehren, sie würde es ein zweites Mal schaffen. Mittlerweile war sie nicht mehr dieselbe Frau, die damals in Walsrode vor ihm gekuscht hatte. Sie war es schon seit dem Augenblick nicht mehr, in dem sie aus Walsrode floh. Und wenn der Versuch, sich zu befreien, ihr Leben kostete, war das eben der Preis dafür. Aber vielleicht war Gott ja mit ihr!
    Nachdem Mertens sein Messer geschliffen hatte, trat er vor sie. Spöttisch grinsend drehte er sie mit dem Stiefel herum, so dass er ihr ins Gesicht sehen konnte. Noch immer hielt Annalena die Augen geschlossen, und unter ihrem Rock konnte Mertens nicht sehen, dass sich ihre Beine anspannten.
    Ich muss den richtigen Moment abpassen, dachte sie und konzentrierte sich so sehr darauf, dass sie darüber fast ihre Angst vergaß. Damals, als er sie die Treppe hinaufgescheucht hatte, hatte sie aus Reflex gehandelt. Diesmal wusste sie genau, was sie tat.
    »Tu

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