Das Krähenweib
dieses Burschen.«
Annalena senkte schweigend den Kopf.
»Dass du mich davor bewahrt hast, einen schwerwiegenden Fehler zu begehen, zeigt, dass du nichts tun würdest, was ihm gefährlich werden könnte, nicht wahr?«
Fürstenberg wechselte nun in die vertraulichere Anrede, doch Annalena nahm das nur beiläufig wahr.
»Ich will, dass es ihm gutgeht«, antwortete sie. »Nichts anderes.«
»Nun, Seine Majestät wird ihn gut behandeln, solange er gute Arbeit leistet, und nach dem, was ich gesehen habe, braucht er wirklich nicht um sein Leben zu fürchten. Im Gegenteil, ich sage ihm eine große Zukunft voraus.« Fürstenbergs Stimme wurde erstaunlich sanft. »Allerdings wird es eine Zukunft sein, in der eine Frau und die Liebe keinen Platz haben.«
Er sah sie eindringlich an, und Annalena hatte Mühe, ihre Tränen zurückzuhalten. Sie wusste, was diese Worte bedeuteten. Eigentlich hatte sie es auch schon vorher gewusst, aber jetzt hatte es jemand ausgesprochen. Jemand, dem sie keine Boshaftigkeit unterstellen konnte.
»Was bittest du dir für den Dienst, den du mir erwiesen hast, aus?«, fragte Fürstenberg. Doch erst, als sie seinen Blick spürte, fing sie an, das Gesagte zu begreifen. Danach zögerte sie keinen Moment. Obwohl der Statthalter sicher etwas anderes erwartet hatte, gab es nur einen Wunsch, den sie in diesem Augenblick hegte. Keine Anstellung im Schloss, kein Haus in Dresden, keine Dukaten.
»Ich möchte zu ihm«, antwortete sie einfach. »Ich möchte Johann noch ein einziges Mal sehen und mit ihm sprechen. Allein.«
Fürstenberg hätte empört sein können, und wenn sie ehrlich war, erwartete sie nichts anderes. Ihr Wunsch war mehr als dreist. Sie war nur eine Dienstmagd und vor ihr stand der Statthalter des Kurfürsten, der sie genauso gut ohne einen Dank aus seinem Kabinett werfen konnte.
Doch Fürstenberg tat nichts dergleichen. Er sah sie nur an, so eindringlich, als könnte er mit seinem Blick ihre Gedanken erforschen. Ob es ihm gelang, wusste sie nicht, und so wartete sie geduldig auf seine Antwort.
Da er wohl glaubte, dass ein schwaches Weib weder dem Goldmacher noch den Plänen des Königs gefährlich werden konnte, sagte er schließlich: »Jeden Abend geht ein Page hinauf zu Böttger und bringt ihm seine Mahlzeit. Sein Nachtmahl hat er wegen der Reise gewiss noch nicht bekommen. Ich werde dir ein Schreiben geben, das den Pagen anweist, dir das Tablett zu überlassen und dir den Weg zu weisen. Und es wird dir Pabst vom Hals schaffen, allerdings nicht so weit, dass er euch nicht erwischen könnte, solltet ihr töricht genug für einen Fluchtversuch sein.« Fürstenbergs Blick schien sie beinahe zu durchbohren. Annalena fürchtete schon, dass er es sich noch einmal überlegen würde, dann fuhr er jedoch fort: »Es hätte mich sehr viel Ärger, wenn nicht sogar den Kopf kosten können, wenn den Preußen der Schlag gelungen wäre, also gebe ich dir einen Rat: Nutze die Zeit. Eine weitere Gelegenheit werdet ihr nicht haben.«
Damit setzte er sich an sein Schreibpult und begann, das kurze Schreiben aufzusetzen.
Johann hörte, wie sich Schritte seiner Tür näherten.
Jetzt kommen sie mich holen, ging es ihm durch den Sinn. Dann geht es auf nach Polen.
Abwartend lehnte er sich auf seinem Stuhl zurück, hörte, wie aufgeschlossen wurde, und sah, wie sich die Türklinke nach unten bewegte. Ein Tablett war das Erste, was aus der Dunkelheit des Ganges auftauchte, dann sah er die Livree und schließlich die gesamte Gestalt des Dieners.
Was soll das, fragte er sich. Warum bringt man mir ein Abendessen, wo ich doch eigentlich abreisen soll?
Dann merkte er, dass etwas mit dem Pagen nicht stimmte. Er war kleiner als der übliche Diener und auch hagerer. Seinen Kopf hielt er gesenkt, so dass er sein Gesicht nicht gleich erkennen konnte. Sein schwarzes Haar war ziemlich lang und zu einem Zopf gebunden. Schweigsam stellte er das Tablett ab – und hob dann den Kopf.
Johann, der gerade zu einer Bemerkung ansetzen wollte, stockte der Atem. Sein Mund öffnete sich, doch er brachte keinen Ton heraus. Stattdessen formten seine Lippen stumm den Namen, den er seit Tagen und Wochen nur in seinen Gedanken ausgesprochen hatte.
Annalena.
Ein kurzer Blick genügte, und es war, als wären sie niemals getrennt gewesen. Ohne ein Wort fielen sie sich in die Arme.
»Wir haben nicht viel Zeit!«, wisperte sie ihm schließlich ins Ohr, doch bevor er antworten konnte, küsste sie ihn, zärtlich und fordernd
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