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Das Krähenweib

Das Krähenweib

Titel: Das Krähenweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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Morgen neu begann, ebenso, wie sich die Windräder einer Mühle in Bewegung setzten. Wie ein Mühlstein ist das Leben, ging es ihr durch den Sinn. Es dreht sich unermüdlich im Kreis und endet erst, wenn der Tod den Wind aus den Mühlenflügeln nimmt.

    Die Zähne gegen die Schmerzen zusammenbeißend stieg sie aus dem Bett. Sie sah sich nicht nach ihrem Mann um, denn sie wusste, dass er nicht mehr da war. Meister Hans verlangte von seinen Knechten, dass sie, wenn eine Hinrichtung anstand, noch vor Sonnenaufgang in der Fronerei erschienen. Der Prozess gegen den Mann, der seine schwangere Frau nahe dem Moor erwürgt hatte, hatte etliche Monate gedauert und endete mit einem Todesurteil, das heute vollstreckt werden sollte.
    Der Gedanke daran ließ ein grimmiges Lächeln auf Annalenas Gesicht treten. Wird es Mertens auch so ergehen? Wird mein Mann auch sterben, wenn er mich eines Tages umbringt?
    Mit kleinen Schritten strebte sie der Schüssel zu, die auf einem Stuhl unterhalb des Fensters stand. Das Wasser in der dazugehörigen Kanne war eiskalt, aber daran war sie gewöhnt. Annalena bückte sich, nahm den Krug auf und goss die Schüssel voll. Als sich das Wasser beruhigt hatte, erblickte sie ihr verschwommenes Spiegelbild auf der schimmernden Oberfläche.
    Dreiundzwanzig Lenze zählte sie. Ihr dickes, schwarzes Haar fiel in langen, lockigen Flechten über ihre Schultern. Wegen der Farbe, die sie ihrer Großmutter zu verdanken hatte, hielt man sie oft für eine Zigeunerin, doch ihre Augen zeigten das helle Grau des hiesigen Winterhimmels. Nur noch selten strahlten diese Augen vor Freude, Hoffnung oder dem Wunsch nach Freiheit.
    Denn Freiheit gab es für ihresgleichen nicht.
    Das Richtschwert in die Wiege gelegt zu bekommen, bedeutete, ein Leben im Schatten zu führen. Ein Leben als Ausgestoßene, Unreine, ein Leben an der Stadtmauer, am Rand von allem, was für ehrliche Leute Wert hatte. Ihre Herkunft hielt sie gefangen zwischen Geringschätzung und Beschimpfungen. Musche, Hure, Krähenweib waren die Namen, die man Frauen wie ihr entgegenrief.
    Ihr Vater hatte sie stets beschworen, sich nichts daraus zu machen, und als Kind hatte sie ihm noch geglaubt. Zusammen mit ihren Brüdern und Schwestern spielte sie sorglos im Fronhof und dachte, dass die Beleidigungen und der Spott, den sie auch damals schon kannte, nur eine Ausnahme waren. Je älter sie wurde, desto mehr verstand sie aber, dass Henker bestenfalls geduldet und meist verabscheut wurden. Der Zusammenhalt zwischen den Geschwistern und den Henkersfamilien war das Einzige, worauf sie zählen konnte.
    Doch als sie erwachsen wurden, verstreute das Schicksal Habrechts Kinder in verschiedene Himmelsrichtungen. Anna Christin heiratete in zweiter Ehe den Schweriner Henker Liebeknecht, eine gute Partie, denn sie hatte bereits drei Kinder und es war nicht bekannt, dass Liebeknecht sie schlecht behandelte. Auch Anna Maria, die den Sternberger Henker Mentzel geheiratet hatte, ging es gut. Bei ihrer Schwester Anthrin, die eigentlich Anna Cathrin hieß, war es schon etwas anderes gewesen, aber das war eine Geschichte, an die sie nur ungern dachte.
    Als die jüngste Schwester wurde Annalena einem Henkersknecht aus Walsrode namens Peter Mertens zur Frau gegeben.
    Liebe war natürlich ein eitles Gut, das Menschen wie ihnen nicht zustand. Die Ehen waren vom Vater arrangiert worden. Eine Heirat in einen anderen Stand war unmöglich. Und selbst jene, die ebenfalls zu den Unehrlichen zählten, scheuten sich davor, eine Henkerstochter zu freien. Übrig blieb nur ihresgleichen, und die Töchter eines Henkershauses konnten froh sein, wenn sie einen Gatten abbekamen.
    Annalena hatte sich gefügt, wie es erwartet wurde und natürlich gehofft, dass sie eines Tages mehr als Demut und Achtung gegenüber ihrem Gatten empfinden würde. Damals schenkte sie sogar noch den Reden der anderen Frauen Glauben, wonach in ihren arrangierten Ehen irgendwann einmal der Same der Liebe aufgegangen war.
    Doch schon bald wurde Annalena klar, dass es in ihrem Fall keine Liebe geben würde, denn unter der Maske des Mannes, der vor dem Altar gelobt hatte, sie zu beschützen, steckte ein Ungeheuer.
    Solange die Aussicht bestand, dass sie sein Kind unter dem Herzen tragen könnte, hielt er sich zurück, doch als sein Same monatelang auf tauben Boden fiel, griff Mertens zur Peitsche. Wieder und wieder schlug er sie, das letzte Mal war es in der vergangenen Nacht geschehen …
    So manches Mal hatte sie gehofft, nach

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