Das Kreuz der Kinder
so berüchtigte ›Horn von Iffriqia‹ wird zur
Schwachstelle der dort aufeinander stoßenden islamischen
Großreiche von Marokko im Westen und Ägypten im
Osten. Die ehemalige Grenzmark lag vor der Tür des
selbstbewußten Königreichs von Sizilien, was zur Folge
hatte, daß noch das heutige Tunesien dem Okzident aufgeschlossener als alle anderen Maghrebstaaten erscheint.
Doch schon damals war es nicht mehr als eine Fußmatte.
Die Interessen abendländischer Wirtschaftspolitik nebst
entsprechenden Territorialgelüsten lagen von jeher im
Vorderen Orient.
Der Kampf um den Besitz des Heiligen Grabes von
Jerusalem war ein willkommener Vorwand, vor allem
Handelsmonopole zu errichten, sich in den Besitz jener
Häfen zu setzen, in denen die Warenströme des Orients
mündeten – und die lagen an der Küste, die sich vom
Delta des Nils bis zum nördlichen Syrien erstreckt.
Wer auch immer im Abendland die Herrschaft
auszuüben gedachte, mußte dieses ›Heilige Land‹ im Auge
behalten, die Sorge um den Erhalt dieser höchst ergiebigen
Privilegien war ihm in die Wiege gelegt.
Der Weg des Staufers
Friedrich II. war 1194 auf dem Marsch des kaiserlichen
Heeres geboren worden, das sein Vater, Heinrich VI.,
gegen Sizilien führte. Durch Heirat mit der letzten Erbin
des Normannenthrons konnte Heinrich Anspruch auf das
Königreich erheben, zumal im Namen des Sohnes, der
jetzt zu Jesi in den Marken zur Welt kam. Er wartete die
Niederkunft seiner Frau Constanze nicht ab, sondern eilte
voraus, um den Widerstand ihrer normannischen
Verwandten zu brechen. Constanze folgte ihrem Ehemann,
um das Schlimmste zu verhindern, beließ aber das
Neugeborene in Spoleto zu treuen Händen der Markgräfin.
Drei Jahre später raffte die Malaria Kaiser Heinrich bei
der Vorbereitung eines Kreuzzugs hin. Constanze ließ in
einer Nacht- und Nebelaktion ihren Sohn nach Palermo
verbringen, bevor die deutschen Reichsfürsten sich seiner
bemächtigen konnten.
Vierjährig wird Friedrich im Dom zum König von
Sizilien gekrönt, noch im gleichen Jahr stirbt auch seine
Mutter, nachdem sie Innozenz III. zum Vormund bestellt
hat. Von der Geste unbeeindruckt, vergibt der Papst die
deutsche Krone an den Gegenkönig der Welfen, Otto IV.
Bis zu seiner Mündigkeit (1208) wächst Friedrich unter
turbulenten Umständen in Palermo auf. Ein Jahr später
heiratet er die zehn Jahre ältere Constanze von Aragon,
der Papst krönt Otto zum Kaiser und entfesselt den
»Kreuzzug wider die Ketzer« in Südfrankreich.
Gleichzeitig formieren sich unter seinem Protektorat die
Orden der Bettelmönche: die »Minderbrüder« unter Franz
von Assisi und die »Predigermönche« des Spaniers
Domenikus. Doch Innozenz’ Rechnung geht nicht auf:
Auch Otto IV. greift – kaum in Amt und Würden – nach
Sizilien, genau das, was der Kirchenstaat verhindern
wollte, die ›unio regni ad Imperium‹, von der identischen
Macht im Norden wie im Süden in die Zange genommen
zu werden. Der Welfenkaiser wird gebannt, Friedrich
aufgefordert, die deutsche Krone anzunehmen
(›Königsritt‹). Nach der Schlacht von Bouvines (1214)
schwinden Macht und Widerstand Ottos dahin, 1216
erliegt Innozenz III. einem Gehirnschlag, sein Nachfolger
wird der betagte Honorius III., Friedrichs Pate. 1218 stirbt
einsam und verbittert Otto IV. auf der Harzburg. 1220
krönt der Papst sein Mündel zum Kaiser gegen das
Versprechen, umgehend einen Kreuzzug zu unternehmen.
Kaiser Friedrichs Vorhut scheitert bereits im Nildelta
durch die Unvernunft des päpstlichen Legaten Kardinal
Pelagius, der die Führung an sich reißt. Der Tod der
Kaiserin und ständige Unruhen in Sizilien machen eine
mehrfache Verschiebung seines Aufbruchs notwendig.
Friedrich heiratet die blutjunge Jolanda, die einzige
Tochter und Erbin des Königs von Jerusalem.
Doch auch der damit erworbene Anspruch auf Thron
und Titel bewegt den Kaiser keineswegs, sein Gelübde
einzuhalten. Jahr um Jahr verstreicht, ohne daß er ernsthaft
Anstrengungen unternimmt, ins Heilige Land
aufzubrechen. 1227 stirbt sein Gönner, der milde Honorius
III. Ihm folgt mit Gregor IX. ein Papst, der nicht mit sich
spaßen läßt. Friedrich sticht mit gewaltigem
Kreuzzugsaufgebot in See, doch eine Seuche zwingt die
Flotte zur Umkehr. Der Papst belegt den Kaiser mit dem
Kirchenbann.
Als Friedrich im Jahr darauf schließlich doch loszieht,
hat er als »Exkommunizierter« das Recht auf einen
›Kreuzzug‹ verwirkt, und
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