Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Kreuz des Südens - Exodus aus Europa. Ein Zukunftsroman

Das Kreuz des Südens - Exodus aus Europa. Ein Zukunftsroman

Titel: Das Kreuz des Südens - Exodus aus Europa. Ein Zukunftsroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Scharf
Vom Netzwerk:
gegen Gott, der ihm nach seiner Frau auch noch den einzigen Sohn genommen hatte. Nun erst empörte er sich gegen ihn. Der Sturm hatte bereits nachgelassen, die Wogen hatten sich geglättet. Wie bei Jonas, schoß es ihm durch‘s Hirn, und er schüttelte angeekelt von dem Gedanken seinen Kopf. Er war immer ein frommer Katholik gewesen, der aus Ehrfurcht über die Mittlerin Maria zum Vater im Himmel gebetet hatte, aber jetzt würde er Gott direkt ansprechen! Er raffte sich auf und ballte mit stieren Augen die Faust gen Himmel. Seine Lippen bebten, als zitterten sie vor Furcht über den Klang und Gehalt der Worte, die zu formen sein Wille sie zwingen würde. Dann rief er aus: „Was hab‘ ich Dich verehrt, Du widerliches Scheusal! Ungeheuer! Moloch! Nie wieder werde ich einen Fuß in eine Deiner heiligen Stätten setzen, wenn nicht, um sie niederzubrennen! Dachtest Du, ich wäre Hiob, der es ertrüge, wenn man ihm Weib und Kinder nähme? Ich bin nicht Hiob – das sage ich Dir: Du hast mich zum Feind!“
    Er legte eine kurze Pause ein, um Luft zu holen und fuhr dann im gleichen scharfen Ton fort: „An der Klaue erkennt man den Löwen – und an den Früchten, die ich für meine Treue und Bußfertigkeit erntete, erkenne ich Dich! Non serviam! - Ich falle ab von Dir, Du bist es nicht wert, daß man Dir diene! Luzifer bedeutet Lichtbringer, Du dagegen, Jahwe, wohnst in der Finsternis – und Dunkelheit umgibt Dich völlig, so steht es geschrieben; die Attribute könnten nicht gerechter verteilt sein! Ich erkenne endlich, was ich für ein armseliger Wicht gewesen bin, aber damit ist es vorbei! Ich will nicht dienen, ein stolzer Cajun sollte Dir niemals gedient haben! Ich sage mich los von Dir, hörst Du?!“

    Wilkins legte ihm seine Rechte auf die Schulter, er überragte Jack um mindestens anderthalb Köpfe, und meinte: „Beruhige Dich, mein Freund.“ Aber Jardine zischte: „Noli me tangere! – Rühre mich nicht an – nicht bevor ich geendet habe.“ Jack kannte sich gut in der römisch-katholischen Vulgata des Hieronymus aus, denn sie stand bei ihm zuhause im Regal, außerdem war er, daheim in Louisiana, ein regelmäßiger Kirchgänger gewesen.

    Er schloß mit den Worten: „Das war das letzte Gebet, das Du von mir vernommen hast, Moloch! Scheusal! Ungeheuer! – Amen.“

    Wilkins ließ ihn eine Weile in Frieden, bevor er ihn am nächsten Tag auf seine Rede ansprach, indem er sagte: „Jack, dann sind wir also seit Deiner Aufführung gestern auf einer Wellenlänge, was den schwarzen Mann da oben betrifft, was?“ Wilkins war nie ein gläubiger Christ gewesen, wenngleich er in einem presbyterianischen Pfarrhaus aufgewachsen war und deshalb ebenso über die biblische Überlieferung im Bilde war, wie Jardine. Er pflegte – um seinen Freund zu necken –  zu behaupten, er sei zwar kein gläubiger Christ, aber dafür umso radikalerer Protestant, was natürlich Unsinn war. Jack schien kurz nachzusinnen, ehe er die Antwort gab: „Nicht ganz, Steve, nicht ganz: Du glaubst nicht an Gott und fürchtest ihn deshalb nicht, ich glaube nach wie vor an die Existenz Gottes, fürchte mich aber ebenso wenig vor ihm, weil ich ihn dafür zu sehr hasse. Meine Gefühle für Gott sind von Haß dominiert, nicht von Liebe oder der Furcht um mein Seelenheil; nein, über mein Seelenheil mache ich mir keine Sorgen: ich weiß, daß ich in der Hölle schmoren werde.“ Er grinste, als er das sagte und fügte noch hinzu: „Man muß es bloß mit Fassung tragen, Steve, mit Fassung…“
    Es konnten nach diesem Gespräch nur wenige Minuten vergangen sein, als es urplötzlich wieder losbrach: Blitze zischten und hagelten vom Himmel, der sich binnen einiger Augenblicke zuzuziehen schien, Donner grollte – und der zeitgleich aufkommende Wind fuhr schneidend in die schäumende Gischt. Jardine mußte dieses erneute Gewitter, das sich so rasend zu einem heftig tobenden Sturm auswuchs, freilich als eine von oben gesandte Strafe oder ähnliches ansehen, aber er zeigte sich wahrlich nicht verängstigt. Fast vor Freude strahlend, johlte er: „Das schickt uns der Plagegeist, der Rabenvater, der zusah, wie man seinen Sohn ans Kreuz schlug!“ Das Steuer fester fassend, raunte der alte Fischer: „Schutzengel, wir bedürfen eurer nicht; Engel der Hölle, steht uns bei – ach was: schert euch zum Teufel, wo ihr hingehört, wir sind uns selbst genug!“ Und als wäre der entfesselte Prometheus endgültig in ihn gefahren, rief er trotzig, aber mit einem

Weitere Kostenlose Bücher