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Das Kreuz des Südens - Exodus aus Europa. Ein Zukunftsroman

Das Kreuz des Südens - Exodus aus Europa. Ein Zukunftsroman

Titel: Das Kreuz des Südens - Exodus aus Europa. Ein Zukunftsroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Scharf
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Anflug von aufrichtiger Heiterkeit: „Nicht wahr, Steven, wir sind uns selbst genug – heute und so lange wir leben, falls wir durchkommen!“ Wilkins nickte zustimmend: „So sei es! Bravo, alter Freund!“ Das Unwetter hüllte sie nun gänzlich ein – und die vom Wind aufgepeitschten Wogen umschlossen den Kutter gänzlich, gleichsam wie die Tentakel eines Riesenkraken.

    ♦
    Die „Samantha II“ blieb auf ihrer Fahrt an der westafrikanischen Küste – zumindest vor der Überquerung des Äquators – von Stürmen und schwererem Seegang weitestgehend verschont. Der Atlantik glich in dieser Region überhaupt an den meisten Tagen, entgegen seiner sonstigen Gewohnheit, einem Ententeich. So unbewegt nahm sich der gewaltige Ozean aus, auf dessen Grund verstreut Unmengen an Schiffswracks herumlagen, stumme Zeugnisse rauerer Zeiten.

    Da der Schaden an der Schiffsschraube des Containerschiffes, es fehlten ja zwei der fünf Flunken, nicht auf See, sondern nur in einer Werft behoben werden konnte, kroch das riesige Schiff nunmehr mit vier Knoten dahin, was die gesamte Fahrtzeit mehr als verdoppeln würde. Schweröl würden sie zur Genüge haben, da man in Deutschland, einen Tag bevor das Schiff in See gestochen war, gebunkert und die Tanks gleichsam bis zum Überlaufen gefüllt hatte. Schlechter war es da schon um den Proviant bestellt, der bei gleichbleibendem Aufzehren der Vorräte binnen drei weiterer Wochen – so schätzten der Smutje und seine Stewards, die einen Überblick über sämtliche Vorratskammern sowie die an Bord befindlichen Kühlcontainer hatten – unvermeidlich zur Neige gehen müßte. Kurzerhand ordnete der Kapitän an, die täglichen Lebensmittelrationen der Passagiere wie auch der Offiziere und Mannschaften zu halbieren. Es fand sich kaum jemand an Bord, der über diese Weisung viel gemurrt hätte, weil man sich allgemein ihrer Notwendigkeit bewußt war.

    Erik Bühler war über diese unverhoffte Verlängerung der Reisezeit am allerwenigsten betrübt, bot sie ihm doch die Gelegenheit, noch an Bord, wo Konkurrenten rar gesät waren, seiner Liebsten den Hof zu machen, oder sie wenigstens näher kennenzulernen. Er dachte nach wie vor an sie, wenn er sich auf seine Pritsche legte, um zu schlafen. In seinen Träumen pflegte sie stets in einer Hauptrolle aufzutreten, war niemals nur Statistin. Sie erschien ihm manchmal in einem blauen, seidenen Kleid, das er zwar noch nie an ihr gesehen hatte, ihr aber außerordentlich gut stand. Oft erblickte er sie auch in naturalibus, also ganz im Zustand der Natur, vor seinem geistigen Auge, was ihn aber mitnichten beschämte, denn man braucht sich natürlicher Dinge wegen nicht zu schämen. Ihm fiel, als er sich eines Morgens seines nächtlichen Traumes erinnerte, sein früherer Lateinlehrer Herr Mack ein, welcher einmal – eine latinisierte Sentenz des altgriechischen Dramatikers Euripides zitierend – gesagt hatte: „Naturalia non sunt turpia.“ (dt., „Natürliches ist keine Schande.“) Dieser Sinnspruch hatte dem jungen Erik schon damals eingeleuchtet.
    Er hatte sie seit dem Tag, da sie ihn gegrüßt und diesen Korb getragen hatte, mit welchem sie ihm wie Rotkäppchen erschienen war, noch einige Male aus der Ferne gesehen. Doch war er bisher nicht dazu gekommen, sie anzusprechen. – Das sollte sich nun ändern.

    Es war schon halb zehn. Der silberne Mond hatte just seine Wanderung am Firmament angetreten, als Erik sich noch zu einem kleinen Rundgang entschied, um die – wiewohl nicht kühle, so doch wenigstens um ein paar Grad gesunkene und damit angenehmere – Abendluft zu genießen, welche in einer leichten Brise über das Schiff wehte. Von der hohen Luftfeuchtigkeit wurden seine Kleider klamm, so als hätte er sie zu früh aus dem Trockner oder von der Wäscheleine genommen, doch das bekümmerte ihn nicht weiter. „Einen Tod muß man ja schließlich sterben“, konstatierte er im Stillen, denn tagsüber war es heiß und trocken, nachts eben etwas kühler und gleichzeitig feuchter. Mit diesen banalen Gedanken beschäftigt, trottete er die kurze Treppe zum Vorschiff empor und stand wenig später auf der Back, wo er Scarlett allein auf einem Poller sitzen sah, das schöne Gesicht auf die zierlichen Ellenbogen gestützt und hinauf zum Himmel blickend, als suche sie dort droben etwas.

    Nun brach ein Sturm der Gedanken und Gefühle in Erik los: Verliebtheit, Scham, Logik – all das existierte sehr wohl nebeneinander und schien in einem Ringen

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