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Das Kreuz des Südens - Exodus aus Europa. Ein Zukunftsroman

Das Kreuz des Südens - Exodus aus Europa. Ein Zukunftsroman

Titel: Das Kreuz des Südens - Exodus aus Europa. Ein Zukunftsroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Scharf
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Vorhaben mitzuteilen, in den Atlantik, um zu tauchen.

    Er hatte vorher tief Luft geholt und arbeitete sich nun, mit den Armen und Beinen rudernd, zielstrebig in jener Richtung vorwärts, in der sich seines Erachtens der Propeller befinden mußte. Es war dies wieder einer jener schnell gefaßten Entschlüsse gewesen, für die Sergei berüchtigt war und die ihm von anderen sowohl Respekt als auch Befremden und Spott einbrachten, wobei ihn das letztere kaum zu stören schien. Er war nun einmal so, wie er war und nicht anders. Der Bulgare machte sich kaum Gedanken über das, was alles unter ihm in der dunklen Tiefe auf ein Festmahl lauern konnte – er hatte für solche Gedanken gar keine Zeit, denn es war allein sein Bestreben, die Schiffsschraube zu finden und sie abzutasten, ehe ihm die Luft ausginge und er wieder nach oben müßte.

    „Noch ein paar Züge“, dachte er und tatsächlich: schon stieß er mit den ausgestreckten Armen an einen metallenen Gegenstand. Durch den tiefschwarzen Schatten, welchen das große Schiff warf, erkannte Sergei seine Hand vor Augen nicht, wie man zu sagen pflegt, doch er war sich nach Umfassen des Teiles sicher, daß es sich dabei nur um eine der Flunken handeln konnte, deren Funktionsweise jener von Rotorblättern eines Flugzeugpropellers entsprach. Langsam ließ er seine Hände an derselben hinuntergleiten und suchte, den Mittelpunkt der Schraube zu fassen, von dem sternförmig die einzelnen Flunken abzweigten. Er begann innerlich zu zählen, als er die zweite ertastete, dann fuhr seine Hand über etwas sehr Raues und er riss sie sich etwas auf. „Verflucht!“ schoß es ihm durch den Kopf, „ich passe zwar nicht in das vormenschliche Beuteschema der Haie, aber wenn sie Blut riechen, werden sie unangenehm.“ Er dachte jedoch nicht daran, wieder aufzutauchen, ohne seine Arbeit beendet zu haben, und so tastete er wacker weiter. Kein Zweifel: das Rotorblatt war an dieser Stelle abgebrochen und befand sich irgendwo auf dem Meeresgrund. Er fand noch eine zweite Region, die eine große Lücke aufwies und in deren Mitte er die gleiche raue Bruchstelle fühlte. Das genügte... – Ihm wurde schon schwarz vor Augen, und mit der letzten ihm verbleibenden Kraft arbeitete er sich zurück an die Oberfläche, wo ihn ein wahres Jubelgeschrei empfing, denn die wartenden Seeleute, wie auch die Menschen, die achtern an Deck standen, hatten schon gezweifelt, daß ein Mensch so lange unter Wasser bleiben könne. Er wurde von seinen Kameraden in das kleine Beiboot gezogen und atmete zunächst eine Weile tief ein und aus, ohne ein Wort zu sprechen, und stierte gegen den Horizont. Auch wenn man es ihm nicht ansah, war er doch sehr froh, dem Geheimnis auf die Spur gekommen und dabei weder erstickt, noch angeknabbert worden zu sein.
    Erst als das Boot wieder hochgehievt und an seinem Platz festgezurrt war, der Kapitän und der Chief den Seeleuten aus der Nußschale geholfen und die schaulustigen Passagiere sich um siegeschart haben, in der Hoffnung, das eine oder andere Wort aufzuschnappen und sich einen Reim darauf zu machen, fand Sergei Georgiev die Sprache wieder. „Ich hab‘ des Rätsels Lösung!“ sagte er auf Englisch zu Fitzgerald, dem Kapitän, der ihn so ansah, als wisse er selbst nicht, ob er Strenge oder Milde walten lassen solle. „Ohne Sicherheitsleine und ohne meine Genehmigung, ich sollte Dich im nächsten Hafen nachhause schicken, aber das dürfte sich auf dieser Reise schwierig gestalten“ brummte er in seinen Bart, aber seine kleinen grünen Augen, die freundlich dreinschauten, verrieten, daß er Sergei nicht wirklich gram war. Er legte ihm eine Hand auf die Schulter und fragte: „Du sagtest etwas von des Rätsels Lösung?“
    „Jawohl, Kapitän: Zwei der insgesamt fünf Flunken sind sauber herausgebrochen.“ Dabei zeigte Sergei seine blutige Hand vor und fügte schmunzelnd hinzu: „Verdammt scharf diese verflixten Bruchstellen.“ Fitzgerald, welcher seine linke Hand noch immer auf der Schulter des Dritten Offiziers ruhen hatte, drückte sie zweimal kräftig zusammen und sprach lachend, wobei sich sein roter Schnurrbart lebhaft bewegte und seine Lachfalten sich noch stärker als sonst abzeichneten: „Du Teufelskerl! Bravo, eine extra Flasche Gin für Dich auf meine Rechnung!“

    ♦

    Es war beschlossen worden, erst wieder am kommenden Morgen Fahrt aufzunehmen, so daß sich für die Menschen an Bord eine einmalige Gelegenheit zum Hochseeangeln bot. Natürlich war

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