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Das Kreuz des Südens - Exodus aus Europa. Ein Zukunftsroman

Das Kreuz des Südens - Exodus aus Europa. Ein Zukunftsroman

Titel: Das Kreuz des Südens - Exodus aus Europa. Ein Zukunftsroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Scharf
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wurde er „vom Kreuz genommen“ und in ein altes Ölfaß gesteckt, dessen Inhalt selbstverständlich nicht mehr Öl, sondern vielmehr Küchenabfälle aller Art waren, und ein wenig herumgerollt. Bald trat einer vor, dem Faß einen Tritt zu versetzen und es anzustoßen, bald klopfte ein anderer mit der flachen Hand darauf, um dadurch im Innern einen blechernen Ton zu erzeugen, der dem armen Öler Kopfschmerzen bereitete. Allein er lächelte, als er dem Horrorfaß entstieg – so war es brav und schicklich. Dann gab man ihm einen scheußlichen Sud zu trinken, der in einem alten Stiefel daherkam und den er bis zur Sohle zu leeren hatte, was er auch tat. Gleichwohl rannte er, nachdem er sich den Mund wie nach dem Genuß einer leckeren Köstlichkeit mit dem Ärmel abgewischt und sich mit aller Kraft  zusammengenommen hatte, möglichst wenig das Gesicht zu verziehen, grün anlaufend zur Reling und übergab die Brühe nebst anderen Mageninhalten und etwas Galle der See. Es wurde ihm von den Schiffskameraden, die zumeist selbst einmal eine ähnliche Tortur durchlaufen hatten, nachgesehen – insbesondere weil sie wußten, aus welchen Zutaten sich die Flüssigkeit, welche man ihm verabreicht hatte, zusammensetzte.
    Als er in den Kreis der Seeleute zurückgekehrt war, trat der Kapitän, verkleidet als Schamane, auf ihn zu, breitete die Hände gen Himmel, ähnlich einem Pfarrer, der seiner Gemeinde den Segen erteilt, und rief den Meeresgott – genannt Neptun oder Poseidon – an: „Allmächtiger Poseidon, wir bitten Dich um die Erlaubnis für diesen Seemann, mit uns, Deinen bewährten Jüngern, den Äquator zu überfahren!“ Dann setzte er nach einer kurzen Pause mit gewaltiger Stimme hinzu: „Gib uns ein Zeichen, daran wir Deine Zustimmung erkennen!“ Für einen Augenblick herrschte Totenstille, dann wurde ein lautes Poltern hörbar, das wie Donnergrollen über das Schiff zu fegen schien, und als es verstummte, vernahm man eine laute Stimme vom Himmel, welche die Zustimmung des Meeresgottes zu diesem menschlichen Ansinnen des Seemannes kundtat. Es war Hansen gewesen, der Zweite Offizier, welcher sich auf der Nock, einem balkonartig vor dem Ruderhaus liegenden Teil der Kommandobrücke, versteckt hielt und von droben mit einem Megafon heruntergerufen hatte.
    Unter dem Jubelgeschrei der Matrosen wurde diese Botschaft aufgenommen. Sofort stürzte sich alles auf die zwischenzeitlich bereitgestellten Bierkisten, um sich eines der beliebten Kaltgetränke herauszunehmen und mit dem Täufling anzustoßen, der sich – glücklich über die überstandene Prozedur und die Zustimmung Poseidons – nun nach einer Dusche sehnte. Seine Kameraden entsprachen diesem Wunsch, und der Feuerwehrschlauch wurde einmal mehr zur Anwendung gebracht. Und so hallte es – begleitet von fröhlichem Gelächter – lange noch: „Der junge Öler lebe hoch!“

    Obwohl sich die „Samantha II“ schon ein gutes Stück von den Küstengewässern Nigerias entfernt hatte, drohte noch immer ein Enterversuch durch Piraten. Im weitesten Sinne war ganz Westafrika eine Gefahrenzone, und mit den vier Knoten, die sie nunmehr machte, bot die „Samantha II“ trotz ihres hohen Freibords eine ideale Zielscheibe für Freibeuter.

    Der kleine Thomas Strafford war sich dessen wohl bewußt, und es verging kaum ein Tag, an dem er vor seinem geistigen Auge – seiner Fantasie freien Lauf lassend – keine Seeräuber bekämpfte, wobei er selbstverständlich ausnahmslos den Sieg davontrug. Er malte sich jedwedes nur denkbare Szenario aus und wußte immer eine Lösung. Mal würde er sich verstecken und einen nach dem anderen lautlos ausschalten, mal würde er ungesehen ins Wasser springen, sich ihres Bootes bemächtigen und Hilfe herbeiholen, mal würde er zunächst ruhig abwarten, um dann im geeigneten Augenblick dem Anführer der Piraten ein Messer an die Kehle zu halten, das er meisterlich zu verstecken verstanden hatte.
    Für einen Lausbuben in Thomas‘ Alter waren solche gedanklichen Heldentaten nichts Außergewöhnliches, doch auch Erik Bühler ertappte sich in letzter Zeit hie und da bei dem Gedanken, sich bei einem Überfall durch Seeräuber glänzend hervorzutun und die Besatzung des Schiffes durch eine kühne und verwegene Tat zu retten. Er hatte schlicht das Bedürfnis, seiner heißgeliebten Scarlett irgendwie beweisen zu können, was er für ein Mordskerl sei. Das war zwar albern, aber er konnte nun einmal nichts daran ändern.

    Abend für Abend traf er sich

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