Das Kriegsbuch
Südwand gekratzt habe. Liest Shotwell, was ich da so schreibe? Ich weiß es nicht. Ich bin mir bewußt, daß Shotwell meine Schreiberei ein wenig komisch findet. Aber sie ist nicht komischer als sein Spiel mit den Chips oder sein Verhalten an dem Tag, als er in einer schwarzen Badehose in den Raum kam, die 25er Beretta um den rechten Oberschenkel geschnallt. Er beugte sich über die Konsole und versuchte mit ausgestreckten Armen die Entfernung zwischen den Schlössern zu überbrücken. Er schaffte es nicht, denn das hatte ich schon versucht: hatte mich mit ausgestreckten Armen über die Konsole gebeugt – die Entfernung ist zu groß. Ich hätte gern eine Bemerkung gemacht, sagte dann aber nichts. Ein Kommentar hätte sicher eine Erwiderung herausgefordert, hätte Gott weiß wohin geführt. In ihrer unendlichen Geduld, in ihrer unendlichen Voraussicht, in ihrer unendlichen Weisheit hatten die da oben sich schon einen Mann vorgestellt, der sich über die Konsole beugt und mit seinen ausgestreckten Armen die Entfernung zwischen den Schlössern zu überbrücken versucht. Vielleicht.
Shotwell ist nicht mehr der alte. Er hat gewisse Andeutungen gemacht. Was er will, ist mir nicht ganz klar. Es hat etwas zu tun mit den Schlüsseln und den Schlössern. Shotwell ist komisch. Unsere Lage scheint ihm weniger auszumachen als mir. Er versieht gleichgültig seinen Dienst, beobachtet die Konsole, liest Einführung in die Marketingprinzipien und läßt seinen Gummiball aufspringen – ausdauernd, konzentriert-rhythmisch. Unsere Lage scheint ihm weniger auszumachen als mir. Er ist gleichgültig. Er schweigt. Aber er macht Andeutungen; bestimmte Andeutungen sind gemacht. Ich bin nicht sicher, ob ich sie richtig verste he. Sie haben etwas zu tun mit den Schlüsseln, den Schlössern. Shotwell hat etwas vor. Eiskalt zieht er das schim mernde Silberpapier von den tiefgefrorenen enchila das, ruhig steckt er sie in den elektrischen Ofen. Aber er hat etwas vor. Aber es muß ein quid pro quo geben. Ich bestehe auf einem quid pro quo. Ich habe etwas vor.
Mir ist nicht gut. Ich kenne unser Ziel nicht. Sie sagen uns nicht, auf welche Stadt der Vogel gezielt ist. Ich weiß es nicht. So will es die Planung – das ist nicht meine Sache. Meine Aufgabe ist es, die Konsole zu beobachten und meinen Schlüssel im Schloß umzudrehen, wenn bestimmte Dinge auf der Konsole passieren. Shotwell läßt den Gummiball aufprallen – ausdauernd, rhythmisch. Mir juckt es in den Fingern, den Ball und die Chips in die Hände zu bekommen. Wir sind jetzt aus Versehen hundertdreiunddreißig Tage hier. Ich schreibe an die Wände. Shotwell singt: » Und- eins -und-z wei -und- drei -und- vier!« mit einer präzisen, wohlmodulierten Stimme. Jetzt umfaßt er die Chips und den Gummiball mit beiden Händen und rasselt verlockend damit. Ich weiß nicht, auf welche Stadt der Vogel gerichtet ist. Shotwell ist nicht mehr der alte.
Manchmal kann ich nicht schlafen. Manchmal kann Shotwell nicht schlafen. Manchmal – wenn mich Shotwell in den Armen wiegt und mir Brahms ›Guten Abend, gute Nacht‹ vorsingt oder wenn ich Shotwell in den Armen halte und ihn in den Schlaf singe – manchmal verstehe ich dann, was Shotwell von mir will. In solchen Augenblicken sind wir uns sehr nahe. Aber nur, wenn er mir die Chips gibt. Das wäre fair. Er will, daß ich etwas mit meinem Schlüssel mache, während er etwas mit seinem Schlüssel tut. Aber nur, wenn er mich auch mal dranläßt. Das ist fair. Mir ist nicht gut.
SCHÜTZENGRÄBEN AUF DEM MARS
von Fritz Leiber
Vom gezackten Horizont her krochen, schlichen, eilten, wieselten und fauchten die Todesmaschinen auf ihn zu. Es schien, als hätte sich die ganze purpur beschienene Schöpfung verschworen, ihn zu isolieren und zu vernichten. Im Westen – alle Planeten haben einen Westen, auch wenn ihnen sonst nichts gemein sam ist – erblühten die Atombomben als bedeutungslo se Riesenpilze. Unterdessen dröhnten oben am Himmel unsichtbar die Raumschiffe, die in die Atmosphäre eintauchten; sie waren fern wie Götter und ließen dennoch den gelben Himmel erzittern. Selbst der Boden war unsicher, von künstlichen Erdbeben geschüttelt; niemandes Heimat – am wenigsten die eines Erdenmenschen.
»Warum bist du so bedrückt?« fragten ihn die anderen. »Es ist halt ein verrückter Planet.« Aber seine Laune besserte sich nicht, denn er wußte, daß sie damit buchstäblich recht hatten.
Er duckte und preßte sich an den Boden, als
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