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Das Kriegsbuch

Das Kriegsbuch

Titel: Das Kriegsbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Sallis (Hrsg)
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die winzigen Bruchstücke mehrfach zerfetzter Objekte wie eine Kaskade in den Himmel stiegen. Bald würden sie zurückfallen, und der Feind würde das zerschossene Ding, das er sein Angriffsziel nannte, wieder einmal in Besitz nehmen – das sechstemal oder siebtemal? Und hatten die Soldaten auf der anderen Seite sechs Beine oder acht? Der Feind war recht willkürlich darin, welche Art Truppen er in diesem Sektor einsetzte.
    Am schlimmsten war jedoch der Lärm. Bedeutungsloses mechanisches Schrillen dröhnte durch seinen Schädel, bis die Gedanken darin herumratterten wie trockene Samenkörner in einer trockenen Schote. Wie konnte nur jemand die verschiedenen erschütterungsleitenden Gasmischungen mögen, die komischerweise Luft genannt wurden? Da war das Vakuum des Weltalls fast schon erträglicher; es war wenigstens still und sauber. Er machte Anstalten, sich die Ohren zuzuhalten, hielt aber im letzten Augenblick, von stummem Gelächter und tränenlosen Schluchzern geschüttelt, inne. Es hatte einmal eine galaktische Gesellschaftsordnung – ein galaktisches Imperium – gegeben. Auf einem der angenehm ruhigen Planeten dieses Systems war er ein kleines Rädchen gewesen. Doch jetzt? Galaktisches Imperium? Galaktischer Mist! Vielleicht hatte er seine Mitmenschen schon immer so gehaßt. Aber dann war dieser Haß in den Tagen vor dem Krieg sorgsam unter Kontrolle gehalten und aus seinen Gedanken verbannt gewesen. Noch immer hatte er sich in der Gewalt – sogar fester denn je –, doch er dachte jetzt ständig an diesen Haß.
    Die tödliche Maschine, die er bediente und die einen Augenblick geschwiegen hatte, begann sich wieder ratternd mit den Maschinen des Feindes zu unterhalten, von deren dröhnenden Stimmen sie allerdings zumeist übertönt wurde, wie ein trotziges Kind in einer dichten Menge selbstgefälliger Erwachsener.
     
    Wie es sich herausstellte, hatten sie einen Rückzug marsianischer Pioniere gedeckt und mußten nun sehen, wie sie mit heiler Haut davonkamen. Der neben ihm rennende Offizier stürzte. Er zögerte. Der Offizier betrachtete fluchend ein neues, nutzloses Gelenk an seinem Bein. Alle anderen, einschließlich der schwarzschaligen Marsianer – waren schon weiter vorn. Angstvoll und unentschlossen blickte er sich um, als wollte er ein schlimmes Verbrechen begehen. Dann hob er den Offizier auf und stolperte weiter, taumelnd wie ein Kreisel am Ende seines Laufes. Er hatte noch immer ein zuckendes Grinsen im Gesicht, als sie die Sicherheit geminderter Gefahr erreichten, und er konn te auch nicht aufhören, als ihm der Offizier knapp und aufrichtig dankte. Trotzdem gaben sie ihm den Planetarischen Verdienstorden dafür.
    Er starrte auf die wäßrige Suppe und die Fleischfetzen in seinem Eßgeschirr. Es war kalt hier im Keller, und obwohl die Sitze für Lebewesen mit vier Beinen und zwei Armen gebaut waren, saß es sich recht bequem. Das purpurne Tageslicht war angenehm gemildert. Der Lärm hatte sich etwas zurückgezogen und spielte Katz und Maus. Er war allein.
    Natürlich hatte das Leben noch nie irgendeine Bedeutung gehabt, außer die frostig-bittere Bedeutung, die nur den Dämonen der Atombomben und jenen Silbergiganten im All bekannt war, die auf die Knöpfe drückten; und er war nicht der Typ, nach diesem Wissen zu streben. Zehntausend Jahre hatten sie Zeit gehabt, alles in Ordnung zu bringen, diese Giganten, und konnten einem doch nur raten, sich ein Loch zu graben.
    In den alten Tagen war es nur eben möglich gewesen, sich zu entspannen und in Selbstbezogenheit zu schwelgen, und vor dem trügerisch-herrlichen Hintergrund des galaktischen Imperiums hatte ihm das geholfen, sich einzureden, das Leben habe eine Bedeutung. Doch wenn eine solche Illusion endlich einmal nützlich war – wie jetzt –, dann ließ sie einen spöttisch im Stich und zerstörte noch einige weniger bedeutsame Lügen, die sie genährt hatte.
    Ein dreibeiniges Wesen tauchte aus dem Schatten auf, verhielt in einiger Entfernung und ließ geschickt erkennen, daß es gern etwas zu fressen hätte. Zuerst hielt er es für einen rigellianischen Dreifüßler, sah dann aber, daß es sich um eine irdische Katze handelte, der ein Bein fehlte. Ihre Bewegungen waren grotesk, aber durchaus zweckmäßig und nicht ohne Grazie. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, wie das Tier hier auf diesen Planeten geraten war.
    »Aber mach dir darum nur keine Sorgen – oder etwa über andere Katzen, Dreibein«, dachte er bitter. »Du jagst allein.

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