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Das Kriegsbuch

Das Kriegsbuch

Titel: Das Kriegsbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Sallis (Hrsg)
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zurückgelassen vom Schock der Stille, während noch ein klebriger Morgenstern in seiner Hand baumelte. Ein feindliches Soldatenwesen neben ihm senkte sein Gewehr, rollte seine Tentakel auf und ringelte sich durch den kalten Dreck davon. Überall im Zwielicht wandten sich die Soldaten in den todstinkenden Wind und strebten ihren Erholungszonen zu.
    Er hatte gewußt, daß der Kampf auf diesem Planeten nicht mehr lange dauern konnte. Das plötzliche Ende war nur für seinen überanstrengten Körper ein Schock; sein sorgfältig trainiertes Gehirn war durch die Kampfentwicklung der letzten Zeit schon vorgewarnt. Die Verluste waren hoch gewesen. Wenn den Streitkräften der Menschheit noch an einer Vergeltung gelegen wä re, hätten sich die Kämpfe wahrscheinlich einen weiteren Tag hingezogen. Aber der Krieg war niemals in dem Maße vom Gefühl bestimmt gewesen, daß man eine gute Position nur aus Gründen der Rache aufgab. Während er sich der Gefühle und ihrer Rolle als bestimmende Faktoren bei den strategischen Entscheidungen der Menschen nur undeutlich bewußt war, hatte er vorwiegend auf Grund seiner großen Erfahrung vermutet, daß das Ende heranrückte.
    Ein wenig verwirrt musterte er die Übersichtskarte, die in den Ärmel seines Kampfanzugs eingelassen war. Er wandte sich um und stolperte durch das Gewirr herumliegender Körper nach Norden. Aus einem unbestimmtem Grunde blieb er plötzlich stehen und schaute sich einen Gefallenen näher an.
    RB-2442AY lag auf der Seite. Das linke Bein war ihm unterhalb des Knies von einem Panzer flachgequetscht worden. Ein Mediziner eilte vorbei und nahm sich die Zeit, die Kennmarke des Soldaten mit fluoreszierender Farbe zu besprühen – nicht mehr zu retten. Der Soldat, der dem Schock seiner Verletzung bisher irgendwie widerstanden hatte, kümmerte sich nicht darum. Aus schmerzverkniffenen Augen starrte er sei nen Kommandeur an, ohne ihn zu erkennen, ohne etwas zu fühlen. RB-1079AX beobachtete ihn noch einen Augenblick und berührte den Kolben seiner Handwaffe, wobei er sich unbestimmt fragte, ob der verletzte Soldat jemals wieder kämpfen würde, vielleicht mit einem künstlichen Bein. So lange hatten sie zusammen gekämpft! Aber der Farbfleck verneinte diese Frage, und der Kommandeur ging weiter.
    Eine Stunde später hatte er den müden Rest seiner Einheit in der Erholungszone eingesammelt und seinen letzten Lagebericht an das Großkommando gegeben, wo die Menschen ruhig zuhörten und ihre Zukunftspläne schmiedeten. Doch für ihn war die Arbeit hier getan.
    Jetzt begann das Warten. Zuerst das Warten auf den Transport. Später auf den Einsatzbefehl, der ihn auf irgendeiner anderen Welt erneut in den Kampf schic ken würde.
    Inmitten der Überlebenden sitzend, sah er sich langsam um und lauschte auf den Lärm der. letzten Vorbereitungen und die Schreie der noch zu rettenden Verwundeten – eine Geräuschkulisse, die immer häufiger durch ein im Westen aufziehendes gedämpftes Grollen unterbrochen wurde. Schließlich tauchte eine Formati on von Schiffen über der Ebene auf, verlangsamte den Flug, und in der zunehmenden Dunkelheit sanken die Transporter vom Himmel und landeten einen Kilome ter entfernt.
    Er führte seine Soldaten über das zerschossene Gelände und auf die schrägen Rampen, und er blieb einen Augenblick stehen, um sein Kommando vorbeizulassen. Über ihm, vom Horizont aufsteigend, erstreckte sich eine helle Lichterkette am Himmel und bewegte sich zwischen den Sternen. Die Lichtpunkte waren gegnerische Transporter, die auf gleicher Kreisbahn lagen. Im Zenith glühte ein Schiff nach dem anderen beim Verlassen der Kreisbahn kurz auf und begann zu irgendeinem Schlachtfeld auf der anderen Seite der Welt hinabzusinken. Er betrat das Schiff.
    Auf der Ebene verstreut, senkten die zurückgebliebenen Verwundeten geduldig den verschleierten Blick, während die Transporter auf Feuersäulen in die Lüfte stiegen.
     
    Die Fenster des kleinen Büros gingen auf die Wüste hinaus, die sich ungebrochen bis zu einem Wall dunstiger Berge am Horizont erstreckte. Nahe am Lager war die Wüste mit den geometrisch wirkenden Formationen exerzierender Soldaten besprenkelt. Rechts war der Anfang einer Gruppe Wellaluminium-Baracken zu erkennen.
    Es war sehr heiß. Das Summen der Klimaanlage verdrängte den Lärm des Stützpunkts.
    Generalmajor Blackwood saß hinter einem leeren Tisch, eine Silhouette vor den Fenstern. Ihm gegenüber hatte sich ein kleiner Mann mit beginnender Glatze in

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