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Das Kriegsbuch

Das Kriegsbuch

Titel: Das Kriegsbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Sallis (Hrsg)
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Pazifisten kennen sich – darunter ist ein Koordinator. Die Koordinatoren ihrerseits kennen nur vier andere Koordinatoren, mit denen sie zusammenarbeiten, und einen Sektionsleiter – und so weiter bis zu den höchsten Agenten der Organisation.«
    »Ich verstehe«, murmelte der Professor. »Ein normales Mitglied kann also höchstens vier andere verraten. Aber wenn nun die Polizei einen Koordinator gefangennimmt?«
    »Dann sind fünfundzwanzig Personen in Gefahr«, gab Casey zu. »Und von Zeit zu Zeit geschieht das auch. Aber wir haben Zehntausende von Mitgliedern, Professor, und es kommen täglich neue hinzu. Wir scheinen doch etwas schneller zu wachsen, als man uns wohl fangen kann.«
    Der Professor wechselte das Thema. »Na ja, jedenfalls würde Sie niemand als Patriot bezeichnen.«
    »Es ist eine andere Art Patriotismus«, widersprach Casey. »Ich trete nicht für die Belange dieser Hemisphäre ein.«
    Sein Gegenüber hob die Augenbrauen. »Ich verste he. Dann sind Sie also Polarianer?«
    Casey schüttelte den Kopf. »Auch mit denen habe ich nichts im Sinn. Unser Patriotismus gilt der menschlichen Rasse, Professor. Das Problem, das hier ansteht, ist nicht mehr länger auf Nationen, Religionen oder Hemisphären zu beschränken. Es geht um das Überleben der Spezies. Wir interessieren uns nicht für Politik, gesellschaftlich-wirtschaftliche Systeme oder Ideologien – es sei denn, diese führen offensichtlich zu einem bewaffneten Konflikt zwischen einzelnen Nationen.«
    Der Professor musterte seinen Gast eine Zeitlang, ohne etwas zu sagen. »Glauben Sie wirklich, daß es klappt?« fragte er schließlich.
    »Wie bitte?« fuhr Warren Casey auf. Aus irgendeinem Grunde gefiel ihm dieser interessierte, faszinierte, fragende Wissenschaftler. Er war völlig entspannt bei dem Gespräch, eine Erholung, die er schon seit Monaten nicht mehr gehabt hatte, wie er jetzt erkannte.
    »Sie versuchen den Weltfrieden zu erhalten, indem Sie Drohungen aussprechen, Leute einschüchtern und sogar diejenigen ermorden, die Ihrer Meinung nach dem Krieg zuneigen. Glauben Sie, daß das funktioniert?«
    Auf einen Schlag kehrte die Vorsicht zurück. Die ewige Müdigkeit, die Zweifel, die ihn seit Monaten plagten, und der Ekel, den die Gewalt in ihm aufsteigen ließ – Gewalt, Gewalt, Gewalt. Wenn er doch nur das Wort Töten nie wieder hören müßte!
    Er sagte: »Als ich den Pazifisten beitrat, war ich davon überzeugt, daß hier die einzig mögliche Antwort lag. Jetzt habe ich meine Seite gewählt, aber ich bin mir vielleicht nicht mehr so sicher. Warum zweifeln Sie daran, daß es klappt?«
    Der Wissenschaftler deutete mit dem Finger auf ihn. »Ihr grundlegender Fehler liegt in der Annahme, daß es sich um eine Angelegenheit zwischen Individuen handelt. Beispielsweise sagen Sie doch praktisch: Laßt uns den Diktator umbringen, dann werden wir auch wieder eine Demokratie im Lande haben. Unsinn. So spannen Sie den Wagen vor das Pferd. Ihr Diktator nämlich ist nicht an die Macht gekommen, weil er so außerordentlich fähig war und den Freiheitswillen ei ner ganzen Nation unterdrücken konnte. Auch er ist nur das Produkt einer Situation. Verändern Sie die Situati on, wird er verschwinden. Wenn Sie ihn jedoch nur töten, besteht der einzige Effekt darin, daß Sie einen anderen Diktator bekommen.«
    Die Argumente gaben Warren Casey zu denken. Nicht weil sie neu waren; im Unterbewußtsein hatte er sie schon fast von Anfang an mit sich herumgetragen. Er sah den Wissenschaftler an und wartete darauf, daß er fortfuhr.
    LaVaux deutete mit dem Zeigefinger auf sich selbst. »Nehmen Sie mich, zum Beispiel. Ich arbeite auf einem Gebiet, das für militärische Zwecke nutzbar ist, obwohl das nicht in meinem Interesse wäre. In Wirklichkeit habe ich für das Militär nichts übrig. Nun bedrohen Sie mein Leben, wenn ich weitermache. Gut. Nehmen wir einmal an, Sie schüchtern mich tatsächlich ein, und ich breche meine Arbeit ab. Glauben Sie, daß das die Forschungsarbeit von hundert oder tausend anderen fähigen Männern zum Stillstand bringt? Natürlich nicht. Auf meinem wissenschaftlichen Spezialgebiet stehen einige wichtige Durchbrüche bevor. Wenn ich die Entwicklung nicht vollziehe, tut es jemand anders. Eine Lawine läßt sich nicht dadurch aufhalten, daß man einen einzigen Felsbrocken stoppt.«
    In Caseys sonst bewegungslosem Gesicht begann ein Muskel zu zucken. »Sie glauben also …«, begann er.
    LaVaux’ Augen hinter der zweigeschliffenen Brille

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