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Das kritische Finanzlexikon

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Titel: Das kritische Finanzlexikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Wierichs
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an Wert. Bei DayWAVEs in der Variante eines → put (Verkaufsoption) verhält es sich umgekehrt. Hier steigt der Wert bei sinkendem Index, und das WAVE-Produkt verliert, wenn der Index steigt. Da stets zusätzlich ein Hebel eingebaut ist (geringer Kapitaleinsatz; vgl. → leverage ), wirken sich Gewinne und Verluste beim DayWAVE stärker aus. Hinzu kommt der Laufzeitfaktor: Ein Gewinn von 36 Cent mit einem Day-WAVE ergibt, bezogen auf einen Kapitaleinsatz von 3 Euro, 12 Prozent Rendite. Als p.a.-Rendite sind diese 12 Prozent mit 365 Tagen zu multiplizieren, was das Ergebnis auf schwindelerregende 4 380 Prozent p.a. hochjagt. Bei höheren Anlagesummen winken dann auch absolut, also in Euro oder Dollar ausgedrückt, saftige Gewinne.
    Spiegelbildlich zur Gewinnchance verhält sich das Verlustrisiko. Dann gelten die gleichen Zahlen, eben nur mit umgekehrtem Vorzeichen. Und von der Gewinnzone in den Verlustbereich gelangt man durch den fortlaufenden Handel und die enge Kopplung an den Index beziehungsweise einen anderen Basiswert blitzschnell. Es kann sein, dass der Anleger sich um 11.50 Uhr noch über einen 1 000-Prozent-Gewinn die Hände reibt und eine halbe Stunde später einen 2 000-Prozent-Verlust zu beklagen hat. Von ihrer Grundkonstruktion her sind Day WAVEs nämlich Produkte, die eine außerordentlich hohe Schwankungsbreite in der Kursentwicklung (→ Volatilität ) aufweisen. Diese Eigenschaft teilen sie mit allen hochspekulativen Finanzinstrumenten. Die Position unseres Anlegers, der als → Tageshändler das Geschehen vom (meist heimischen) Computer aus verfolgt, ändert sich also stündlich, ja sogar minütlich. Da muss er gut aufpassen und gute Nerven behalten. Außerdem sollte er alle Bedingungen des von ihm gerade bevorzugten Produktes gut kennen. Das ist nicht so einfach, denn die Vertragsbedingungen sind außerordentlich komplex. Es herrschen auch hier → undurchsichtige Verhältnisse .

Werte schaffen
    Er tauchte bereits in den Abschnitten → Eigenkapital und seine Rendite und → Misstrauen auf: Josef Ackermann, von 2006 bis 2012 Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank AG. Das war der Mann mit den starken Sprüchen. Vor Ausbruch der Finanzkrise 2007 forderte er für die Finanzindustrie eine Eigenkapitalrendite von 25 Prozent ein. Nachdem seine Branche die Welt fast an den Abgrund gebracht hatte, Banken sich untereinander immer weniger über den Weg trauten und eine große Zahl von ihnen plötzlich am Tropf des Staates hing, meinte er, dass er sich schämen würde, wenn seine Bank öffentliche Gelder als Beihilfe erhielte.
    Etwa zu der Zeit, als er noch von den magischen 25 Prozent träumte, musste er sich vor Gericht im sogenannten Mannesmann-Prozess verantworten. Und auch da hinterließ er einen bleibenden Eindruck. Er spreizte Zeige- und Mittelfinger zum Victory-Zeichen und sagte: »Deutschland ist das einzige Land, wo diejenigen, die erfolgreich sind und Werte schaffen, deswegen vor Gericht stehen.«
    Ackermann musste sich als Ex-Aufsichtsrat der Mannesmann AG wegen der Gewährung einer 30-Millionen-Abfindung an den letzten Vorstandsvorsitzenden des Unternehmens, Klaus Esser, verantworten. Man warf den beiden Untreue vor.
    Nicht der Prozess selber ist an dieser Stelle interessant (er liegt schon sehr lange zurück und über ihn wurde schon sehr viel geschrieben), sondern die Aussage. Da hatte jemand »Werte geschaffen«. Und wurde auch noch dafür bestraft.
    Aha. Was war geschehen?
    Esser hatte es geschafft, ein alteingesessenes Unternehmen der Stahlindustrie in den 1990er Jahren auf den Zukunftsmarkt Telekommunikation zu trimmen. Im Jahr 2000 wurde Mannesmann dann von der britischen Vodafone übernommen. Daher die Abfindung.
    Mannesmann war ein attraktiver Übernahmekandidat geworden. Der Börsenkurs war gestiegen. Also hatte Esser Werte geschaffen. Oder?
    Das führt uns zur Frage, was ein Unternehmen eigentlich wert ist. Wenn man versucht, hierauf eine Antwort zu finden, landet man irgendwann bei einem Internetrechner, den man mit Unternehmensdaten füttern kann, damit er anschließend eine konkrete Bewertungszahl ausspuckt. Falsch – eigentlich müsste es heißen: »unzählige Bewertungszahlen«. Denn die Verfahren zur Berechnung eines Unternehmenswertes sind so zahlreich wie die entsprechenden Internetseiten, die einem den Taschenrechner ersparen. Von Ertragswert- und Buchwertmethode ist da die Rede, auch eine kleine Reise durch Europa kann man antreten (Stuttgarter und Wiener Verfahren). Und

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