Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das kritische Finanzlexikon

Das kritische Finanzlexikon

Titel: Das kritische Finanzlexikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Wierichs
Vom Netzwerk:
jetzt nicht übereilt neue Regeln und Gesetze einführen.« Da spricht der lupenreine Investmentbanker, der konsequent für freie, vollkommen unregulierte Märkte eintritt – für ein gigantisches Wettbüro.
    Bei diesem Spekulationsskandal konnte JP Morgan den Verlust von 2 Milliarden US-Dollar noch verkraften. Aber bei höheren Verlusten oder einer Verlustserie werden dort, ebenso wie bei Lehman, die Lichter ausgehen. JP Morgan gehört zu den 28 Banken, die nach dem Finanzstabilitätsrat ( Financial Stability Board , FSB), einer internationalen Organisation zur Überwachung des globalen Finanzsystems, als → systemrelevant eingestuft werden und aufgrund ihrer Größe und ihrer primär auf Spekulationsgeschäfte ausgerichteten Geschäftsstruktur zukünftig höhere Eigenkapitalanforderungen erfüllen müssen.

Vollgeld
    Im Abschnitt → Geldschöpfung wurde erläutert, dass Banken über ihre Kreditvergabe die Geldmenge nahezu ungehemmt vermehren können. Einen kleinen Riegel schiebt hier nur der jeweilige Mindestreservesatz der → Europäischen Zentralbank (EZB) vor. Das dem Bankensystem überlassene Geld kann nicht in voller Höhe zur Kreditvergabe verwendet werden, da die Mindestreserve zur Herstellung der Zahlungsbereitschaft quasi in der Hinterhand gehalten werden muss.
    Das Geldschöpfungspotenzial des Bankensystems nimmt mit steigendem Mindestreservesatz ab (und entsprechend mit sinkendem Reservesatz zu). Ausgedrückt wird dieses Potenzial durch den Geldschöpfungsmultiplikator (100, geteilt durch den Reservesatz). Würde die EZB einen Mindestreservesatz von 10 Prozent festlegen, könnten die Kreditinstitute die Geldmenge, grob gesprochen, verzehnfachen. Bei 20 Prozent Reservepflicht ergäbe sich die Möglichkeit zur Verfünffachung der Geldmenge – und so weiter. Da die EZB lediglich eine Mindestreserve von einem einzigen Prozent verlangt, haben wir aktuell einen Faktor von 100.
    An dieser Stelle setzt die Grundidee des Vollgeldes an. Die Bezeichnung »voll« steht für das Gegenmodell zur aktuell praktizierten EZB-Mindestreservepolitik, nämlich für einen Mindestreservesatz von 100 Prozent. Hierbei ergibt sich ein Geldschöpfungsmultiplikator von 1; Kreditvergaben sind dann nur noch in Höhe einer jeweilig korrespondierenden Einlage möglich. Und zwar nicht mehr durch die Bank, weil diese ja den Gegenwert als Barreserve halten muss, sondern durch eine zentrale Stelle (Staatsfonds, Zentralbank etc.).
    Bei einer Kundeneinlage von 100 Euro kann eine Bank zurzeit 99 Euro als Kredit vergeben; 1 Euro bleibt als Reserve in der Kasse. Mit dem Kredit wird irgendeine Rechnung des Kreditnehmers beglichen; das Geld wandert als Einlage zu einer anderen Bank. Diese Bank wiederum muss 99 Cent als Barreserve halten und kann ihrerseits wiederum 98,01 Euro als Kredit vergeben. Das Geld landet als Einlage bei einer dritten Bank, die jetzt 97,03 Euro Kredit vergeben kann. Würde dieser Mechanismus ewig so weiterlaufen, hätten wir quasi eine Erhöhung der vorher aufgrund der Kundeneinlage vorhandenen Geldmenge um den Faktor 100. Mit dem Vollgeld würde der unendliche Spaß direkt bei der ersten Bank aufhören. Die müsste nämlich die volle Summe als Barreserve unterhalten. Die Bank wäre bei der Kreditvergabe außen vor.
    Gegen die Einführung des Vollgelds wird vor allem das Argument vorgebracht, dass die Zentralbank oder eine staatliche Organisation als Kreditversorgungsstelle der Aufgabe einer kompetenten und verantwortungsbewussten Steuerung der Kreditvergabe nicht gewachsen ist. Eine solche Steuerung ist sicherlich schwierig. Aber auf der anderen Seite ist das Vollgeld eine Waffe zur Bekämpfung von Exzessen an den Finanzmärkten. Eine äußerst wirksame Waffe, denn letztendlich ist es die maßlos übertriebene Kreditvergabe der Banken für fragwürdige Verwendungszwecke (zum Beispiel Immobilienkredite an jedermann, vgl. → ninja loans , oder Kredite an Hedgefonds, die mit diesen Mitteln lediglich Spekulationsgeschäfte betreiben), die zur Bildung von → Blasen und nachfolgend zum Entstehen von Finanzkrisen führt.

Von steigenden, sinkenden und schwankenden Kursen profitieren
    Es waren drei Leute, aber nur zwei Fachartikel. Die amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler Fischer Black und Myron Scholes veröffentlichten 1973 gemeinsam einen Beitrag zur exakten Bestimmung eines Optionspreises. Robert C. Merton hatte sich mit der gleichen Frage beschäftigt. Seine Abhandlung erschien zeitgleich, aber unabhängig von dem

Weitere Kostenlose Bücher