Das kritische Finanzlexikon
Black-Scholes-Beitrag. Das Optionspreismodell brachte den Nobelpreis für Wirtschaft ein, aber erst im Jahr 1997. Fischer Black war da bereits verstorben, so dass nur noch Merton und Scholes die Ehrung entgegennehmen konnten.
Noch heute gilt das Optionspreismodell in der Finanzindustrie als das Maß aller Dinge. Trotz aller Kritik, trotz der realitätsfremden Annahmen. Denn es wird das Vorhandensein eines vollkommen effizienten Kapitalmarkts unterstellt, in dem der → homo oeconomicus souverän schaltet und waltet. Zudem geht das Modell von normalverteilten Größen aus. Schwarze Schwäne (vgl. → Finanzanalysten ) sind nicht vorgesehen.
Vielleicht ist dies auch ein Grund dafür, dass die Nobelpreisträger Merton und Scholes nur ein Jahr nach ihrer Ehrung erneut Aufsehen in der Finanzwelt erregten. Diesmal jedoch nicht als wissenschaftliche Optionspreismodell-Athleten (besser: Optionspreis-Modellathleten), sondern als praktische Spekulanten. Beide hatten mit anderen zusammen das Amt eines Direktors beim → Hedgefonds Long-Term Capital Management (LTCM) inne, als dieser 1998 massive Verluste aufhäufte. In einer breit angelegten Rettungsaktion erhielt der Fonds in einer konzertierten Aktion unter Beteiligung der amerikanischen Zentralbank Fed sowie amerikanischer und europäischer Großbanken die für damalige Verhältnisse sensationell hohe Kapitalspritze von annähernd 4 Milliarden US-Dollar und wurde danach aufgelöst. Auf diese Weise konnte ein finanzieller Flächenbrand gerade noch abgewendet werden.
Über den wahren Wert eines Finanzinstrumentes kann man unendlich lange wissenschaftliche Abhandlungen schreiben. Trotzdem ist man nachher nicht schlauer als zuvor. Schauen wir uns mal einen → call näher an. Nehmen wir an, jemand erwirbt das Recht, eine Aktie, die zurzeit an der Börse bei 50 Euro notiert, innerhalb der nächsten drei Monate zum Preis von 55 Euro zu kaufen. Die 50 Euro betrachten wir einfach mal als »angemessen«, aber was ist das Recht, diese Aktie innerhalb der nächsten Monate zum festgelegten Preis von 55 Euro erwerben zu dürfen, denn nun wert? Zurzeit lohnt sich das Ganze ja nicht, denn jeder kann die Aktie schließlich an der Börse günstiger besorgen. Trotzdem zahlen Spekulanten für diese Call-Option einen Optionspreis, denn wer weiß: In einem Monat kann die Aktie bei 70 Euro notieren und dann hat die Option einen sogenannten inneren Wert von 70 – 55 = 15 Euro. (Über die Option kann man sie dann um diesen Betrag günstiger beziehen.) Zu diesem späteren Zeitpunkt wird ein Spekulant sich sagen, dass die Option wertvoller ist als 15 Euro, denn es bleiben schließlich noch zwei lange Spekulationsmonate, in denen die Aktie weiter steigen und dem Optionsinhaber zusätzliche Gewinne bescheren kann. Jede Option wird also, solange die Frist noch nicht abgelaufen ist, normalerweise mit einem »Aufgeld« gehandelt. Aber wie kann man das Aufgeld – und damit den gesamten Optionspreis – bestimmen?
Genau mit dieser Frage haben sich die Herren Black, Scholes und Merton auseinandergesetzt. Auch ohne mathematische Details ist klar, dass die Erwartungen hinsichtlich der zukünftigen Kursentwicklung des Basiswertes, also der Aktie, die wesentliche Rolle spielen. Und in Bezug auf diese Frage wiederum kommt der → Volatilität eine entscheidende Bedeutung zu. Je stärker nämlich die Schwankungsintensität des Basiswertes ist, desto größer sind die Chancen, dass sich die Option im Sinne des Spekulanten positiv entwickelt. Wenn – auf unser Beispiel bezogen – die Aktie nach einem Monat bei 40 Euro liegt, ist der innere Wert null. Es hat keinen Zweck, eine Aktie, die zu 40 Euro notiert, für 55 Euro mittels Ausübung des Optionsrechtes zu erwerben. Liegt bei der Aktie jedoch eine hohe Volatilität vor, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie bald wieder auf einen Preis von mehr als 55 Euro kommt, entsprechend hoch. Allerdings wächst bei steigender Volatilität auch das Risiko einer Negativentwicklung. Dies alles wird sich im Optionspreis niederschlagen. Was jedoch wirklich angemessen ist, wissen die Götter.
Trotz dieser strukturellen Unwissenheit wird an den Börsen munter spekuliert. Und dabei kann man von allen Kursrichtungen profitieren:
• Auf steigende Kurse zu setzten, ist der Normalfall. Das macht auch derjenige, der eine Langfristanlage in Aktien tätigt. Über den Einsatz einer Kaufoption (Recht zum Kauf eines Wertpapiers zum vorher vereinbarten Preis innerhalb einer bestimmten
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