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Das kritische Finanzlexikon

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Titel: Das kritische Finanzlexikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Wierichs
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Börsenindex ist allerdings aufgrund der beschriebenen Gewicht(ung)sproblematik so launisch wie eine Weight-Watchers-Gruppe, in der die Mitglieder sich die regelmäßigen Veränderungen ihrer Körperpfunde um die Ohren hauen. Daher gelingt die DAX-Abbildung, vor allem bei sogenannten »synthetischen ETF«, nur in Grenzen und unter Hinzuziehung von → Derivaten oder zusätzlichen Vertragsvereinbarungen.
    • Instrument für Derivate: Ein mathematisches Konstrukt wie der DAX eignet sich hervorragend als Basiswert für Optionen oder Futures. Man kann das Recht erwerben, den DAX in drei Monaten zu einem bestimmten, jetzt vereinbarten Indexwert zu kaufen oder zu verkaufen (Option) oder sich auch unwiderruflich zu einem solchen Kauf oder Verkauf verpflichten (Future).
    Man sieht: DAX und Derivate hängen eng zusammen.

Derivate
    Das Prinzip von Derivaten wurde bereits im Abschnitt → call dargelegt. Es handelt sich um Wettgeschäfte, bei denen man auf das Eintreten oder Nicht-Eintreten von Ereignissen setzen kann. Schauen wir uns das Beispiel zum call (Kaufoption) noch einmal näher an. Die Hightec-Aktie notiert Ende Mai bei 83 Euro, gleichzeitig wird eine Option auf diese Aktie wie folgt angeboten:
    Hightec AG-Aktie, call, Basispreis 76 Euro, letzter Kurs 10,50 Euro, Laufzeit Juli
    Wer den call für 10,50 Euro Ende Mai erwirbt, kann zum Beispiel Mitte Juni einen Gewinn machen, falls die Hightec-Aktie dann bei 96 Euro notiert. Man hat ja das Recht, die Aktie zum Preis von 76 Euro zu verlangen. Rechnerisch ist der call also jetzt 20 Euro wert. Das ist für denjenigen, der Ende Mai 10,50 Euro für das Optionsrecht bezahlt hat, recht erfreulich. Nun ist die Zeit für das Geschäft noch nicht abgelaufen. Bis Juli kann sich bei der Firma Hightec noch etwas tun. Rechnen viele Spekulanten damit, dass die Hightec-Aktie bis zum Ende der Optionslaufzeit noch weiter steigt, wird es mit Sicherheit Leute geben, die Mitte Juni bereit sind, für den call mehr als den rechnerischen (sogenannten inneren) Wert von 20 Euro hinzublättern. Je nach Stimmungslage vielleicht 21 oder sogar 25 Euro. Das heißt: Solange noch die Möglichkeit besteht, dass die Option sich im Sinne des Spekulanten positiv entwickelt, wird der aktuelle Optionspreis über dem inneren Wert liegen. Dieses Aufgeld von 1 Euro, beziehungsweise 5 Euro, bezeichnet man als »Zeitwert« der Option.
    Und noch ein Aspekt wird aus unserem Beispiel deutlich; dieser Aspekt ist ein ganz wichtiger Grund dafür, dass Optionen einen außerordentlich hohen Reiz auf Spekulanten ausüben. Der Optionspreis liegt deutlich unter dem Aktienkurs. Man kann also mit einem geringen Kapitaleinsatz agieren. Angenommen, zwei Anlegerinnen steigen zum selben Zeitpunkt (im Beispiel Ende Mai) »in Hightec« ein. Frau A kauft die Aktie für 83 Euro, Frau B steigt in die Option ein und zahlt für das Optionsrecht 10,50 Euro. Der Wert der Option steigt mit dem Wert der Aktie. Wenn beide Finanzinstrumente um 5 Euro nach oben gehen, bedeutet das eine prozentuale Erhöhung von 6 Prozent aus Sicht von Frau A (5/83 * 100). Für Frau B machen die 5 Euro jedoch prozentual fast 48 Prozent aus (5/10,50 * 100). Die Steigerung beim Optionspreis übertrifft also – prozentual gesehen – die Aktienkurserhöhung um das Achtfache. Dies ist der sogenannte Hebel, englisch → leverage . Selbst wenn die Option nicht um 5, sondern lediglich um 4 oder um 3 Euro, also schwächer steigt als die Aktie (wie sich das Verhältnis der Kursentwicklungen von Option und Basiswert entwickelt, ist wiederum markt-, also letztlich stimmungsabhängig), tritt der Hebeleffekt ein. Mit geringem Einsatz viel Geld machen – ein Gottesgeschenk für Renditefetischisten. (Diese Leute müssen natürlich stets bedenken, dass es im Fall sinkender Kurse ebenso schnell zu herben Verlusten kommen kann.)
    Aufgeld und Hebel machen also den Reiz von Optionen aus. Mit unseren Betrachtungen zur Kaufoption haben wir den Begriff »Derivate« jedoch noch längst nicht hinreichend beschrieben. Zunächst einmal gibt es als Gegenstück zum call die Verkaufsoption, auch → put genannt. Der Käufer eines put spekuliert auf sinkende Kurse. Wer heute einen put auf irgendeine Aktie zum Basispreis 80 Euro erwirbt, hat das Recht, diese Aktie innerhalb einer festgelegten Frist an seinen unbekannten Kontrahenten verkaufen zu dürfen. Logischerweise freut er sich, wenn der Aktienkurs einige Zeit nach Vereinbarung des Optionsgeschäftes auf 60 Euro gesunken

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