Das kritische Finanzlexikon
komplexer werdenden Produkten! Konsequent deregulatorisch gab man sich auch beim Mindestkapital für Anlagegesellschaften; es wurde abgesenkt. Und der Marktzugang für neue Produkte wurde vereinfacht. Deutschland war in diesem Zusammenhang beileibe kein Vorreiter; man folgte vielmehr dem (angelsächsisch geprägten) Trend. Auch in der Schweiz und in Österreich wurden die entsprechenden Gesetze (Anlagefondsgesetz, später: Bundesgesetz über die kollektiven Kapitalanlagen in der Schweiz, Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz in Österreich) umfangreichen Änderungen unterworfen.
Im scheinbaren Widerspruch zum Deregulierungsprinzip steht übrigens der von der Finanzbranche häufig beklagte Trend zur »Überregulierung«. Man müsse auf immer mehr Formalia bei der Kundenberatung Rücksicht nehmen, endlose Protokolle seien anzufertigen, Kundengespräche müssten eine riesige Fülle von Aspekten berücksichtigen – so tönt es regelmäßig aus der Ecke der Branchenvertreter.
Zweifellos ist das Volumen der einschlägigen Vorschriften stark gewachsen. Das deutet – oberflächlich betrachtet – auf mehr Regulierung hin. Stimmt aber nicht. Befasst man sich mit den Inhalten der Gesetzes- und Verordnungswerke, so stellt man fest, dass diese stets mit einer ungeheuren Fülle an Hintertürchen zur Umgehung von Vorschriften ausgestattet sind. Riesige Abteilungen der Banken sind nur damit beschäftigt, sich entsprechende Formulierungen auszudenken Die genaue Beschreibung dieser Hintertürchen nimmt einen großen Raum ein – daher die allgemein beklagte »Regulierungswut/flut«. Auch hierzu ein Beispiel: Der Glass-Steagall Act brachte es auf einen Umfang von 37 Seiten. Mit dem 2010 eingeführten Dodd-Frank Act, der zum Ziel hatte, einige Exzesse der Finanzkrise 2007 zukünftig zu verhindern, ging ein Regelwerk an den Start, das 848 Seiten umfasst. Die angebliche »Überregulierung« schafft lediglich → undurchsichtige Verhältnisse und liegt damit exakt im Finanz-Mainstream.
Devisen
Weltweit werden jährlich Waren im Wert von knapp 20 Billionen US-Dollar exportiert. Für die Begleichung der jeweils fälligen Rechnung benötigt der jeweilige Importeur ausländische Zahlungsmittel, sprich: Devisen. Er muss sich dann am Devisenmarkt die benötigte Währung besorgen beziehungsweise von seiner Hausbank besorgen lassen. (Dieser Devisenmarkt lässt sich übrigens nicht lokalisieren, denn er findet überwiegend auf telekommunikativem Weg zwischen den beteiligten Akteuren statt.)
Die weltweiten Devisenumsätze auf diesem ominösen Markt belaufen sich auf etwa 4 Billionen US-Dollar – und zwar täglich. Hochgerechnet auf ungefähr 250 Jahres-Arbeitstage ergeben sich 1 000 Billionen Dollar. Das ist das Fünfzigfache des Betrages, der für die Begleichung von grenzüberschreitenden Warenlieferungen (20 Billionen US-Dollar – s.o.) notwendig ist. Diese einfache Gegenüberstellung macht deutlich, wie verschwindend gering der Anteil realwirtschaftlich basierter Devisenhandelsgeschäfte am Gesamtvolumen des Devisenmarktes ist. Schätzungen gehen hier von einer Größenordnung zwischen 15 und 20 Prozent aus.
Der Löwenanteil beim Devisenhandel entfällt also auf reine Finanztransaktionen – ein Depot wird von Yen in Dollar umgeschichtet, ein Fondsmanager traut brasilianischen Konzernen plötzlich mehr zu als amerikanischen, oder ein Industrieunternehmen spekuliert über den Umfang seines Kerngeschäftes hinaus ein wenig mit Devisen, um die Bilanz aufzuhübschen. Inzwischen versuchen sich auch etliche Privatleute als Devisenhändler. Das Internet macht’s möglich; in einschlägigen Handelsforen wie beispielsweise alpari kann man sich entsprechend austoben.
Auch Devisen sind folglich ein treffliches Spekulationsinstrument. Man sieht, wohin der Hase läuft: Ob Derivate, DAX oder Devisen – überall stehen, mit freundlicher Unterstützung der Politik, treffliche Spekulationsinstrumente zur Verfügung, die – wie man an den Umsätzen ablesen kann – ausgiebig in Anspruch genommen werden.
E
Ackermann und Co.
Es folgt der Hauptgang des Finanzmenus – auf dem riesigen Teller des Bankgeschäftsvolumens als mickriger Happen serviert, aber mit nachhaltiger Verdauungswirkung ausgestattet: das Eigenkapital und seine Rendite . Wenn das Eigenkapital als Haftungsgrundlage wegbricht, müssen vielleicht unsere Einlagen dran glauben. Daher lohnt sich ein Blick auf die Einlagensicherung . Bei Eurobonds haften wir hingegen alle. Was wohl die
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