Das kritische Finanzlexikon
Banker den Ausfall der 3 Millionen Euro durch jährliche Ansammlung des geschrumpften Gewinns von 90 000 Euro teilweise kompensieren.) Die spannende Frage lautet also: Wie viel Eigenkapital haben (oder brauchen?) Banken? Die Antwort: Wenig – zu wenig. Das Eigenkapital des Bankensektors beläuft sich, gemessen an der Bilanzsumme, auf etwa 5 Prozent (vgl. → Bankenaktiva ). Der Bankensektor ist, wie man im Fachjargon sagt, unterkapitalisiert.
Nach dem Zusammenbruch der Herstatt-Bank 1974 hatte man dies langsam begriffen. Es dauerte dann aber fast 15 Jahre, bis tatsächlich gehandelt wurde. Die G 20 trafen sich in der schönen Stadt Basel und beschlossen 1988 »Basel I«. Man kreierte eine recht mickrige Haftungsbasis: Banken mussten fortan 8 Prozent ihrer risikogewichteten Aktiva als Eigenkapital vorhalten. Risikogewichtet bedeutet Folgendes: Wenn eine Bank zum Beispiel Wohnungsbaukredite im Volumen von 100 Millionen Euro vergeben hat, die aufgrund der dahinterstehenden Immobilien als relativ »sicher« gelten, so werden diese Kredite mit einem Risikogewicht von 50 Prozent angesetzt. Damit sind 4 Millionen Eigenkapital (50 Prozent von 8 Prozent, gerechnet auf 100 Millionen Euro) hierfür anzusetzen. Bei weniger »sicheren« Krediten wird ein Risikogewicht von 100 Prozent angesetzt. Damit würden auf 100 Millionen Euro Kreditvolumen 8 Prozent Eigenkapital, und damit 8 Millionen Euro, entfallen.
2006/2007, also noch vor der großen Finanzkrise, folgte »Basel II«. Das Spektrum wurde angesichts der Vielfalt des »modernen« Bankgeschäfts erweitert. Marktrisiken (sinkende Börsenkurse bei Aktien, Anleihen oder anderen Finanzinstrumenten wie zum Beispiel → Derivate ) und operationale Risiken (menschliches Versagen bei bankinternen Abläufen, unzureichende organisatorische Kontrollmechanismen etc.) wurden in die Eigenkapitalvorschriften mit aufgenommen. Irgendwie hatte man also bereits auf die Spekulationswut reagiert, die sich inzwischen im Finanzsektor ausgebreitet hatte. Vielleicht ahnte man sogar, was auf die Branche noch zukommen würde. Allein – das Reformwerk griff viel zu kurz, denn der wesentliche Faktor, die schmale 8-Prozent-Basis, blieb unverändert.
Das für Verluste haftende Eigenkapital enthält verschiedene Bestandteile. Man unterscheidet hier zwischen dem Kernkapital und dem Ergänzungskapital. Bei großen, international tätigen Banken wie der Deutschen Bank oder der Commerzbank besteht das Kernkapital vor allem aus dem Aktionärskapital sowie den aus Gewinnen der zurückliegenden Jahre gebildeten Rücklagen. In das Ergänzungskapital fließen zum Beispiel bestimmte Anlageinstrumente wie Genussscheine. (Wer Genussscheine von einer Bank kauft und dieser Bank somit Geld zur Verfügung stellt, ist kein Aktionär, er erhält dann zum Beispiel eine gewinnabhängige Verzinsung, hat aber keinen Anteil an der Bank und somit auch kein Aktionärsstimmrecht.) Die Unterscheidung in Kernkapital und Ergänzungskapital ist wichtig zur Beurteilung der Reform von Basel II, die bereits vor einigen Jahren unter der Bezeichnung »Basel III« auf den Weg gebracht wurde und seit Anfang 2013 schrittweise umgesetzt werden soll. Mit Basel III möchte man zunächst nämlich das Kernkapital stärken. Es soll schrittweise von derzeit 2,0 Prozent auf 4,5 Prozent angehoben werden. Darüber hinaus wurde auch die Mindestanforderung für das gesamte haftende Eigenkapital von 8 Prozent auf 10,5 Prozent erhöht. Das ist aber vor allem für global agierende Banken immer noch ein sehr geringer Wert. Die Annahme, dass eine solch niedrige Eigenkapitalquote in diesen Häusern dauerhaft in der Lage sein könnte, die Risiken aus dem nicht überschaubaren Anlagespektrum des weltweit marodierenden Kapitals abzufedern, ist reichlich naiv.
Vielleicht steckt aber auch keine Naivität dahinter, sondern Kalkül. Die Branche möchte von den Vorteilen einer schmalen Eigenkapitalausstattung profitieren. Im Jahr 2005 tönte Josef Ackermann, damals noch Chef der Deutschen Bank, dass seine Bank eine Eigenkapitalrendite von 25 Prozent anstrebe. Die Sache fand große Beachtung. 25 Prozent – wer bekommt die schon?
Aus Sicht der Finanzindustrie war der Ansatz seinerzeit nicht nur verständlich, sondern höchst konsequent. Es herrschte Goldgräberstimmung. Die Finanzkrise war noch nicht im Anmarsch. Und Geld gab es dank einer großzügigen Geldpolitik der Zentralbanken in ausreichender Menge und zu günstigen Konditionen.
Nehmen wir zum Beispiel die
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