Das kritische Finanzlexikon
Begriff »Sicherheit« stark relativieren. Der Rest ist Politik. Angela Merkel hat es mit ihrer Garantieerklärung am 5. Oktober 2008, also unmittelbar nach dem Ausbruch der Kaupthing-Krise, vorexerziert. Gemeinsam mit ihrem damaligen Finanzminister Peer Steinbrück gab sie damals eine öffentliche Garantieerklärung zugunsten der Sparerinnen und Sparer in Deutschland ab. Die Erklärung war rechtlich nicht haltbar, aber das Volk war – vorerst – beruhigt (vgl. → Garantie ).
Der Begriff »Haftung« kann jedoch durchaus noch weiter gefasst werden. Zum Beispiel, wenn es um Eurobonds geht.
Eurobonds (Wachstum und Fiskalpakt)
Nachfolgende Diskussion spiegelt in Kurzform den Streit in der Europäischen Union um Wachstum, Fiskalunion (Fiskalpakt) und Eurobonds wider. Sogar die Diskussion um den europäischen → Rettungsschirm können wir hier unterbringen:
Die Bewohner der Siedlung »Musikantenviertel« sind das, was in Deutschlands so gerne mit dem Begriff »eingeschworene Gemeinschaft« bezeichnet wird. Man hat die Siedlung vor 20 Jahren mit sehr viel Eigeninitiative, gegenseitiger Hilfe und gewaltiger Muskelhypothek hochgezogen. Familien, kinderlose Doppelverdiener und Singles, Malermeister, IT-Systembetreuer, Oberstudienräte und Frührentner leben hier in properen Reihenhäuschen und Doppelhaushälften.
Banktechnisch liegen gleichwohl relativ große Unterschiede vor: Familie Berger aus der Mozartstraße 6a wird von der regionalen Sparkasse in Bonitätsklasse 4 erfasst, die Familie Roth, Beethovenstraße 12, steckt in Klasse 8. Dazwischen (Bonitätsklasse 6) befindet sich Herr Wunder. Wenn Herr und Frau Berger einen Kredit zur Anschaffung eines größeren Autos oder zur Runderneuerung ihrer Wohnung benötigen, können sie sich über einen relativ günstigen Zinssatz von 6,5 Prozent erfreuen; dagegen müssten Jens und Franziska Roth etwa 9 Prozent zahlen.
Eines Abends findet im Gemeinschaftsheim »Musicus« eine Krisensitzung statt.
»Josef macht jetzt schon seit zehn Monaten Kurzarbeit und sein Arbeitsplatz steht immer noch auf der Kippe«, eröffnet Jens Roth die Versammlung, zu der fast alle erschienen sind.
Zustimmendes Nicken der übrigen. Man ist über Josef Kellers berufliches Schicksal bestens informiert. Reduziertes Einkommen als Alleinverdiener einer vierköpfigen Familie.
»Wir sollten ihm jetzt auch finanziell unter die Arme greifen«, fährt Jens Roth fort. »Dazu habe ich Folgendes überlegt.«
Dann erläutert er seine Vorstellungen. Die erwachsenen Siedlungsbewohner sollen gemeinschaftlich einen Sparkassenkredit aufnehmen; jeder zeichnet für eine Summe verantwortlich, die einem festgelegten, einheitlichen Prozentsatz des Jahreseinkommens entspricht. Gemäß Vorabfrage von Jens Roth würde ein Kreditzins von etwa 7 Prozent in Rechnung gestellt. Jeder müsse die Rückzahlung, die in einer Summe am Ende der fünfjährigen Laufzeit erfolge, sowie die jährliche Zinsbelastung für seinen Anteil bereithalten. Natürlich auch Josef Keller, wobei dessen Anteil an dem Gesamtvorhaben selbstverständlich aufgrund seines zurzeit recht niedrigen Einkommens geringer sei als der Beitrag der anderen. Insgesamt ergebe sich so eine gemeinschaftliche Haftung, aber diese könne die eingeschworene Gemeinschaft des Musikantenviertels gewiss bewältigen.
»Das Geld kommt uns allen zugute«, schließt Jens Roth seine Ausführungen. »Wir könnten gemeinsame Projekte stemmen, jeder kann außerdem individuell bestimmte Anteile für Renovierungsarbeiten am Haus oder auch neue Einrichtungsgegenstände, meinetwegen auch die Begleichung laufender Kosten oder besonders hoher Nebenkostennachzahlungen verwenden. Und Josef wäre wieder kreditwürdig.«
Jan Berger erhebt sich. »Alles schön und gut«, sagt er. »Mal abgesehen von der gemeinschaftlichen Haftung: Sabine und ich zahlen drauf. Wir würden einen Kredit zu 6,5 Prozent kriegen. Franziska und du, lieber Jens, werden profitieren, denke ich mal. Also – warum sollten Sabine und ich da mitmachen?«
»Du willst doch, dass Josef hier weiter wohnt und nicht aus seinem Haus rausgeschmissen wird, weil er die Hypothek nicht abbezahlen kann, oder?«, entgegnet Jens Roth. »Wer hat sich denn im letzten Jahr, als Sabine für drei Wochen im Krankenhaus gelegen hat, regelmäßig um eure Kinder gekümmert? Wer hat dir denn vor zwei Monaten beim Einbau eurer neuen Küche und beim Anstrich geholfen? Josef!«
»Das sehe ich alles ein, Jens«, gibt Jan Berger zu. »Aber ein
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