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Das kritische Finanzlexikon

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Titel: Das kritische Finanzlexikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Wierichs
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Europäische Zentralbank dazu sagt?

Eigenkapital und seine Rendite
    Geldgeschäfte lohnen sich. Das wussten bereits die Medici, die im 15. Jahrhundert das seinerzeit größte Kreditinstitut besaßen und als Finanziers von Päpsten, Herzögen und Königen auftraten. Etwa zur gleichen Zeit entdeckten die Fugger die Wirkungskraft des Geldes und unterstützten die spanisch-österreichischen Habsburger beim Ausbau ihrer politischen Vormachtstellung. Beide Familien griffen einerseits über ihre Finanzaktivitäten massiv in die Weltpolitik ein, andererseits wurden sie dadurch auch noch außerordentlich reich.
    Wer verzinsliche Geldsummen von Sparern entgegennimmt und diese Gelder gegen einen höheren Zins an kreditsuchende Personen weiterleitet, kann sehr reich werden – sofern die Kreditnehmer ihre Verbindlichkeiten inklusive Zinsen zurückzahlen. Fallen Kredite aus, kann aus dem Reichtum Armut werden. Und das recht schnell.
    Gehen wir von 10 Millionen Euro aus, die ein Finanzier von vielen Sparern gegen Zusage einer Verzinsung von jährlich 4 Prozent erhalten hat. In gleicher Höhe werden Kredite an verschiedene Privat- oder auch Geschäftskunden vergeben, die jeweils 7 Prozent pro Jahr zahlen müssen. Das ergibt einen jährlichen Gewinn von 300 000 Euro. Wir unterstellen nun, dass sich unter den Kreditnehmern drei große Unternehmen befinden, denen jeweils eine Million Euro als Darlehen zur Verfügung gestellt wurden, und dass diese drei auch noch zusammenhängen – weil sie in der gleichen Branche tätig oder über gegenseitige Beteiligungen miteinander verflochten sind. Aufgrund einer Branchenkrise oder durch konzerninternes Missmanagement gehen nun die drei Unternehmen pleite, Kredite und Zinsansprüche müssen abgeschrieben werden. Die restlichen Kreditnehmer (Volumen von 7 Millionen Euro) bringen jetzt bei einem nach wie vor unveränderten Kreditzins von 7 Prozent noch 490 000 Euro an Zinsen auf. Auf der anderen Seite warten die Sparer auf 4 Prozent Zinsen für ihre 10 Millionen Euro, das ergibt 400 000 Euro. Der Gewinn des Finanziers ist also um 70 Prozent eingebrochen; statt 300 000 Euro kann er nur noch 90 000 Euro in seine eigene Tasche stecken. Das eigentliche Problem taucht für ihn jedoch erst dann auf, wenn die Sparer ihre Einlagen zurückfordern. Nehmen wir der Einfachheit halber an, dass es ein einheitliches Fälligkeitsdatum für die Zurückzahlung von Krediten und Spareinlagen gibt. Dann würden dem Finanzier 3 Millionen Euro fehlen. Selbst wenn er seinen auf 90 000 Euro geschmolzenen Gewinn zehn Jahre lang als Rücklage zur Kompensation des Drei-Millionen-Ausfalls ansammeln würde, könnte er von den fehlenden 3 Millionen nur 900 000 Euro bedienen.
    Aus diesem Beispiel werden zwei Aspekte deutlich: Erstens muss eine Bank darauf achten, dass es nicht zu einer Häufung von Geschäften mit Kunden kommt, die relativ eng, über Branchen-, Konzernbeziehungen oder sonstige wirtschaftliche Abhängigkeiten, zusammenhängen. Man spricht in diesem Zusammenhang von einem Klumpenrisiko. Bekannter Fall aus der Bankpraxis ist die Insolvenz von Arcandor, die vor einigen Jahren das feine Privatbankhaus Sal. Oppenheim in arge Bedrängnis brachte und zur Übernahme von Oppenheim durch die Deutsche Bank führte. Klumpenrisiken treten jedoch nicht nur im Kreditgeschäft auf. Auch heftige Wertminderungen bei Aktien oder Anleihen bestimmter Branchen beziehungsweise Verluste bei bestimmten Wertpapier- oder Derivateformen können von diesem Risiko betroffen sein. Während der Finanzkrise 2007 etwa sank der Wert etlicher unter diesem Namen berühmt gewordener »toxischer Wertpapiere« ins Bodenlose. Das Klumpenrisiko bestand bekanntlich bei diesen Papieren darin, dass sie sich allesamt auf dubiose amerikanische Immobilienfinanzierungen bezogen; als die Immobilienblase in den USA platzte, waren sie natürlich auch allesamt betroffen (vgl. → CDO ).
    Der zweite Aspekt, der durch unser Beispiel deutlich wird, ist die Frage nach der Ausstattung von Banken mit Eigenkapital. Im Beispiel wird ja zunächst von einer vollständigen Fremdfinanzierung ausgegangen: Das Geld unseres fiktiven Bankers wird von fremden Sparern aufgebracht, eigene Mittel steuert er nicht bei. Über seinen Gewinn kann er natürlich im Zeitablauf Eigenkapital bilden. Sofern er dieses nicht für private Luxusreisen verbraucht, sondern in sein Unternehmen steckt (um auf diese Weise zu expandieren), kann er Verluste abfedern. (In unserem Beispiel könnte der

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