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Das kritische Finanzlexikon

Das kritische Finanzlexikon

Titel: Das kritische Finanzlexikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Wierichs
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wohl auch die zahlreichen Geschichten, welche sich um die angeblich ebenso zahlreichen russischen Oligarchen und deren üppige Guthaben bei zyprischen Kreditinstituten rankten. Jedenfalls wurde jetzt wieder heftig über die Sicherheit von Bankeneinlagen diskutiert.
    Diese Diskusssion war bereits einige Jahre zuvor entflammt. Am 29. September 2008 hatte eine obskure Bank in Island, Kaupthing genannt, ihre Zinsen für Online-Konten wieder einmal hochgesetzt. Für Tagesgelder gab es 5,65 Prozent, bei Festgeldern mit sechsmonatiger Laufzeit wurden 5,90 Prozent gewährt. Zwar existierte damals auch in Deutschland noch ein relativ hohes Zinsniveau, aber die Kaupthing-Konditionen waren quasi das Sahnehäubchen auf dem Renditekuchen. Etliche → Renditejäger schlugen zu; im Endeffekt kam die deutsche Kaupthing-Niederlassung auf etwa 50 000 deutsche Kunden mit einem Gesamtanlagevolumen von einer halben Milliarde Euro.
    Eine Woche später konnte keiner dieser Kunden mehr über sein Geld verfügen. Ein Zahlungsstopp, in der Fachwelt Moratorium genannt, wurde über Kaupthing verhängt, und Ende Oktober erklärte die islandische Finanzaufsicht die Bank für zahlungsunfähig. Die Renditejäger bangten um ihre Einlagen. Damals galt in Europa noch eine staatliche Rückzahlungsgarantie bis zum Betrag von 20.887 Euro. Da aber so immens viel Anlegergeld auf der Insel im hohen Norden unterwegs war (vgl. → Griechenland und Island ), zierte sich der isländische Staat ein wenig. Rückzahlungen sollten nur Einheimische erhalten. Erst nach langem Hin und Her konnten die meisten Anleger ihre Gelder wieder in Empfang nehmen.
    Würde man die für Zypern zunächst vorgesehenen 9,9 Prozent beziehungsweise 6,75 Prozent auf deutsche Verhältnisse übertragen, kämen etwa 50 Milliarden Euro zusammen. Damit hätte man Zypern seinerzeit dreifach retten können (zumindest vorläufig). Aber was gäbe das für einen Aufschrei!
    Nun – so weit ging man im Endeffekt nicht. Man besann sich letztlich auf die europäischen Regeln zur Einlagensicherung. Aufgrund einschlägiger EU-Richtlinien (sie tragen die sperrigen Bezeichnungen: EU-Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsrichtlinien 94/19/EG (CELEX Nr: 394L0019), 97/9/EG (CELEX Nr: 397L0009) und 2009/14/EG (CELEX Nr: 309L0014) sind in Europa Guthaben bis 100 000 Euro staatlich garantiert. Diesen Betrag wendete man auch auf Zypern an. Zyprische Sparer, die mehr als 100 000 Euro auf der hohen Kante haben, sollen zur Zwangsabgabe verpflichtet werden, allerdings erst dann, wenn Bankaktionäre und Inhaber von Bankanleihen eingesprungen sind. Und erst ganz zum Schluss ist der → Rettungsschirm , und damit Vater Staat, gefordert.
    Setzt sich dieses Kaskadenverfahren europaweit durch, muss die Geschichte der Einlagensicherung also nicht ganz neu geschrieben werden. Denn, wie gesagt, die gesetzliche Anlegerentschädigung in Europa sieht eine garantierte Sicherheit für Einlagen (Guthaben auf Sparbüchern, Giro-, Festgeldoder Tagesgeldkonten) bis zum Betrag von 100 000 Euro vor. Höhere Einlagen werden bereits in Gedankenspiele der Europäischen Union einbezogen. So berichtete EU-Binnenmarktkommissar Barnier im April 2012 von Plänen zur Berücksichtigung von Einlagen jenseits der Grenze von 100 000 Euro bei der Schaffung einer Haftungsbasis im Fall von Bankeninsolvenzen. Wie diese Einbeziehung konkret aussehen könnte, ist noch unklar. Es gibt da eine Fülle von Möglichkeiten. Man könnte zum Beispiel einfach jeden Euro, der über der Hunderttausender-Grenze liegt, mit einem »Haftungsprozentsatz« belegen. Oder auch Beträge über 100 000 Euro in Aktien der Insolvenzbank umwandeln beziehungsweise in eine Bad Bank (siehe → Banken ) verschieben. (Zur Beruhigung der Gemüter fügte Barnier nach der Vorstellung der EU-Pläne noch hinzu, dass die weitaus größte Mehrheit der Sparer, nämlich 95 Prozent, hiervon nicht betroffen seien.)
    Und wie sähe es bei der Umsetzung solcher Pläne mit anderen Sicherungssystemen aus? In Deutschland beispielsweise gibt es neben der Basissicherung von 100 000 Euro die sogenannte Institutssicherung. Hierbei hilft ein Sparteninsitut dem anderen aus der Klemme. Und die deutschen Privatbanken vertrauen ihrem Solidarsystem mit dem schönen Begriff »Feuerwehrfonds«. In beiden Systemen werden formal höhere Einlagen garantiert. Die Frage ist nur, ob die dort vorhandenen Mittel ausreichen, wenn es wirklich zu einer echten Krise kommen sollte. In diesem Fall muss man den

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