Das kritische Finanzlexikon
Entwicklungen und gibt Ihnen gleichzeitig die Möglichkeit, Markttrends unmittelbar für sich zu nutzen.«
Vom Prozess der zunehmenden Finanzialisation unseres Wirtschaftslebens sind jedoch nicht nur Unternehmen betroffen. Den Reiz des Spekulierens macht die Finanzindustrie mit gleicher Nachdrücklichkeit ihren Privatkunden schmackhaft. Auch hier locken zahlreiche Angebote wie → Aktienanleihen oder → Zertifikate , und auf einschlägigen Internetplattformen wie → x-trackers und x-markets kann der Hausspekulant sich austoben.
Fondsanlagen
An einem schönen Julimorgen ruft Vanessa Gutmann die Internetseite des BVI (Bundesverband Investment und Asset Management e.V.) auf. Vanessa ist 18 Jahre alt; sie hat gerade ihr Abitur gemacht und eine Ausbildungsstelle als Mediengestalterin bekommen. Ihr Arbeitgeber zahlt monatlich zum Bruttogehalt 40 Euro Vermögenswirksame Leistungen. Die könne sie, so hat der Personalchef ihres zukünftigen Arbeitgebers ihr mitgeteilt, unter anderem in Fonds anlegen. Sie möge sich doch bitte mal bei ihrer Sparkasse erkundigen.
Bei der Sparkasse, mit der sie bisher nur über ihr von den Eltern eingerichtetes Sparbuch zu tun hatte, erfuhr sie dann einiges über Fonds. Das Ganze war ihr jedoch zu verwirrend. Daher ihr Besuch auf der Seite des BVI.
Nach einer halben Stunde ist die Verwirrung noch größer geworden. Vanessa stößt auf sehr schillernde Begriffe. Von Aktien-, Renten- und offenen Immobilienfonds ist da die Rede, von Misch-, Dach-, Geldmarkt- und Hedgefonds. In der »Statistikwelt« des BVI erfährt sie unter anderem, dass das Kürzel AGSM für den Anlageschwerpunkt »global, Nebenwerte, Small/ MidCaps« steht und EM für »Emerging Markets«. Und dass es mehr als 11 000 Fonds deutscher Herkunft beziehungsweise ausländische Fonds mit Absatz in Deutschland gibt, die insgesamt etwa 2 Billionen Euro verwalten. Mit dieser Summe könnte man Italiens Schulden auf einen Schlag zurückzahlen. Vanessa Gutmann fährt ihren PC herunter und ärgert sich über die vertane Zeit. Schlauer ist sie nicht geworden.
Die Grundidee bei Fondsanlagen ist ganz simpel. Man sammelt relativ geringe Geldsummen von vielen Anlegern ein, investiert die Mittel in ein breites Spektrum von Wertpapieren und sorgt dafür, dass das gesamte Fondsvermögen durch clevere Anlage- beziehungsweise Umschichtungsentscheidungen des Fondsmanagements möglichst stark wächst. Diesem System liegt also die Annahme zugrunde, dass sogenannte Finanzfachleute besser in der Lage sind, »gute« Investments zu tätigen und »schlechte« zu vermeiden; ferner ergibt sich durch das breite Anlagespektrum eine Risikostreuung. Soweit die Idee. Also wandte man sich irgendwann auch an die »Kleinsparer« und sammelte deren Geld ein. (Der erste Fonds wurde sinnigerweise zu Beginn des 19. Jahrhunderts von den sprichwörtlich geschäftstüchtigen Holländern gegründet und den sprichwörtlich sparsamen Schotten als Kapitalanlage angeboten.)
Über viele regelmäßige (Fondssparplan) oder auch einmalige Beträge kommen erkleckliche Summen zusammen. Diese werden dann von den Fondsmanagern verwaltet, die dabei versuchen, eine Benchmark, zum Beispiel den → DAX , zu übertrumpfen.
Die Anlagepalette ist, wie im Abschnitt → Der Trick mit der Deregulierung beschrieben, seit Beginn des Zeitalters der Finanzialisation erheblich ausgeweitet worden. Im Prinzip gibt es, nach dem Kriterium Investitionsschwerpunkt klassifiziert, sechs Grundformen bei Fonds:
Ferner gibt es noch die Dachfonds, eine Art Schmarotzer-System: Sie investieren das Geld der Anleger in andere Fonds und saugen deren Investitionsschwerpunkt quasi auf. Dafür sind sie auch kostspieliger, da gleich mehrfach Managementvergütungen anfallen.
Nun sagen die Investitionsschwerpunkte noch nicht viel aus. Es ist ein Riesenunterschied, ob ein Rentenfonds griechische oder deutsche Staatsanleihen in seinem Portfolio hält. Oder ob ein Aktienfonds europäische oder indische Aktien kauft (oder beides). Was kauft man also, wenn man sich für einen bestimmten Fonds entscheidet? Das weiß man erst, wenn man sich die einzelnen Verkaufsprospekte ansieht. Es liest sich dann beispielsweise so:
Der Fonds strebt die Erwirtschaftung kontinuierlicher Erträge sowie die Erzielung eines Kapitalwachstums unter Ausnutzung der Kurschancen von Investmentfonds, verzinslichen Wertpapieren, Aktien und Derivaten an. Durch den Einsatz eines innovativen Risikomanagementsystems sollen absolute Verluste nach
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