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Das kritische Finanzlexikon

Das kritische Finanzlexikon

Titel: Das kritische Finanzlexikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Wierichs
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über 10 000 Euro bei der Bank besorgt. Das Geld gibt er weiter an den Spekulanten.
    Die Bilanz des Freundes sieht jetzt so aus:

    Dank seiner guten Beziehungen überredet eben jener Freund die Bank nun, alle Schuldscheine mit einem Wert von 70 Prozent zu beleihen und ihm einen weiteren Kredit über 7 000 Euro zu gewähren. Die Schuldscheine verbleiben in der sich verlängernden Bilanz des Freundes:

    Das frische Geld geht wieder an den Spekulanten. Für diese Tranche werden jetzt neue Schuldscheine ausgestellt.

    Auch diese neuen Schuldscheine werden mit 70 Prozent beliehen. Die zusätzlichen Mittel von 4 900 Euro wandern zum Freund, dessen Bilanzsumme sich dann wiederum entsprechend erhöht. Und der Spekulant kann sich erneut über frisches Geld freuen.
    Auch Privatpersonen können also in Sachen → Geldschöpfung aktiv werden. 10 000 + 7 000 + 4 900 = 21 900 Euro wurden hier geschöpft. Das Spiel kann man immer weiter treiben. Voraussetzung: Man findet eine Bank, die dieses Spiel mitmacht.
    Die → Europäische Zentralbank (EZB) könnte dieses Spiel zum Beispiel mitmachen, indem sie den → Rettungsschirm so mit Geld versorgt, wie es die fiktive Bank mit dem Freund des Spekulanten gemacht hat. Das ist die einfachste Form des Hebelns. Darüber hinaus gibt es viele weitere Hebelvarianten (vgl. → leverage ).
    Der Hebel ist zuverlässiger Begleiter fast aller → Derivate . Prinzip: Geringer Einsatz – große Wirkung; leider nicht nur nach oben (Gewinnzone), sondern auch nach unten (Verlustzone). Die Überlegungen, welche unsere Politiker hinsichtlich einer Hebelung im Laufe des Jahres 2011 zunächst hinter vorgehaltener Hand, später auch laut äußerten, bezeugen die Not, in der sich die Politik befindet. Der Rettungsschirm braucht sehr, sehr viel Geld, wenn er erfolgreich sein soll. Es ist von weiteren Inanspruchnahmen durch schwächelnde Euroländer zu rechnen. Man befürchtet, dass ein einmal beschlossenes Volumen – mag es auch in die Hunderte Milliarden gehen – nicht reichen wird. Also wird gehebelt.
    Es wäre auch denkbar, dass über den → Rettungsschirm von jeder Anleihe 10 Prozent gekauft werden und gleichzeitig dem → Markt gegenüber erklärt wird, diese 10 Prozent seien im Zweifel als erste haftbar. Wenn »der Markt« nun von einem Maximalausfall in Höhe von 10 Prozent der Emission ausginge, wären die restlichen 90 Prozent sicher. Man würde also quasi eine Teilkaskoversicherung für Anleihen einführen. Sollte dies funktionieren, könnte der Rettungsschirm das Zehnfache seines auf der politischen Ebene beschlossenen Volumens bewegen. Das würde möglicherweise dann auch noch für Spanien, Italien etc. reichen.
    Man sieht – es gibt viele Wege hin zu einer besseren Liquiditätsausstattung von Banken, Staaten und sonstigen Institutionen. Auch hier zeigt sich, dass → Geld substanzlos ist: Nur etwas, das im Grunde genommen keine Essenz aufweist, kann beliebig und unter Hinzuziehung kreativer Methoden vermehrt werden. Es kommt dann nur noch auf die Machtverhältnisse an. Wer bekommt etwas ab, und wem wird etwas vorenthalten?

Hedgefonds
    An einem bestimmten Börsentag schließt die X-Aktie mit dem Kurs 24,65 Euro und eröffnet am nächsten Tag mit 23,85 Euro.
    Der Laie denkt: »Die Aktie ist im Abwärtstrend, also verkaufen!« Der Hedgefondsmanager würde aber eher kaufen. Er würde von einem gap nach unten sprechen, und dies ist für ihn ein Kaufsignal. Mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit, so die Argumentation, wird die Lücke im Tagesverlauf wieder geschlossen. Folglich gilt für den umgekehrten Fall, dem gap nach oben: Der höhere Kurs am Folgetag wird kurz darauf wieder nach unten korrigiert. Also muss die Aktie verkauft werden.
    Hedgefonds arbeiten nach Regeln, die sie aufgrund von Erfahrungswerten aus der Vergangenheit abgeleitet haben. Eine solche Regel könnte zum Beispiel wie folgt lauten: »Kaufe in Zeiten einer unsicheren Börse, wenn also große Kursschwankungen im Tagesverlauf zu verzeichnen sind (vgl. → Volatilität ) und keine eindeutige Kursrichtung feststellbar ist, zu Beginn des Handelstages eine Aktie, sobald sie zehn Prozent unter dem Schlusskurs des Vortages steht, und verkaufe sie am Ende des Handelstages.« Es kann durchaus sein, dass der Hedgefondsmanager, der nach dieser Regel vorgeht, innerhalb der letzten fünf Jahre mehr als 8 400 solcher Transaktionen vorgenommen hat, von denen 60 Prozent erfolgreich waren. Das ist wie bei einem Tennisspieler. Der kann ruhig eine

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