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Das kritische Finanzlexikon

Das kritische Finanzlexikon

Titel: Das kritische Finanzlexikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Wierichs
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Menge unforced errors machen oder etliche Grundlinienduelle verlieren – sofern er bei der Mehrzahl der Spiele zwei Punkte mehr macht als sein Gegner, wird er jedes Match gewinnen. Aber es wird erneut jenes Prinzip deutlich, das auch → Finanzanalysten befolgen – die strikte Orientierung an Vergangenheitswerten unter der stillschweigenden Voraussetzung, dass sich Vergangenheitsmuster auf zukünftige Entwicklungen übertragen lassen. Und das geht immer wieder schief.
    Es gibt eine schier unendlich anmutende Fülle von Handlungsanweisungen für Hedgefondsmanager. Alle haben nur ein Ziel: die Generierung möglichst hoher und schneller Gewinne in einem Umfeld perfekt vernetzter und hochsensibler respektive hysterischer Kapitalmärkte.
    Die Ironie an der Sache ist, dass to hedge im Englischen eigentlich »absichern« bedeutet. Abgesichert werden bei Hedgefonds zwar einzelne Positionen untereinander, das ganze System dieser Finanzakrobaten ist jedoch höchst spekulativ angelegt. Hedgefondsmanager haben das Prinzip »billig kaufen und teuer verkaufen« perfektioniert. Sie nutzen die immense Fülle an Finanzinstrumenten und verwursten sie in Strategien:
    • Kauf unterbewerteter und Verkauf überbewerteter Aktien (Long/Short-Equity); welche Aktie als unterbewertet gilt und welche als überbewertet, entscheidet der Hedgefonds anhand seiner Modelle und Handlungsanweisungen.
    • Ausnutzung von Schwankungen zwischen Märkten (Arbitrage beziehungsweise Relative-Value-Konzepte); notiert beispielsweise eine Aktie zum gleichen Zeitpunkt an einer amerikanischen Börse auch nur geringfügig unter dem Kurs an einer europäischen Börse, wird die Aktie in den USA gekauft und in Europa postwendend wieder verkauft.
    • Ausnutzung von Schwankungen aufgrund außergewöhnlicher Ereignisse wie beispielsweise Unternehmensübernahmen (Event Driven); machen solche Gerüchte die Runde, muss man schnell sein. Insiderwissen (→ Insider ) ist hierbei natürlich ebenso nützlich wie verbreitet.
    • Ausnutzung globaler Trends bei Aktien-, Anleihen- oder Rohstoffmärkten (Global Macro); Beispiel: Man muss nur rechtzeitig aus Anleihen der Staaten X und Y aussteigen und in Anleihen der Staaten A und B umschichten, ehe es alle tun.
    Alle Strategien werden selbstredend durch → Derivate angereichert. Bei einigen Hedgefonds bildet der Handel mit Optionen und Futures sogar den Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit.
    Eine Schlüsselstellung im Wirken von Hedgefondsmanagern nehmen → Leerverkäufe ein. Unterbewertete Aktien billig kaufen – das kann sich jeder vorstellen. Wer der Meinung ist, die X-Aktie ist mit 20 Euro zu »billig«, kauft sie, um sie einen Tag, ein paar Stunden, eventuell sogar einige Minuten später für mehr als 20 Euro zu verkaufen. Aber wie geht ein Hedgefondsmanager vor, wenn er einerseits der Meinung ist, die YAktie sei mit 15 Euro zu »teuer«, andererseits die Aktie jedoch nicht in seinem Bestand hat? Er will auch gar nichts von dem Investment wissen, er möchte nur spielen, sprich: Gewinn mit der seiner Meinung nach überschätzten Aktie machen. Obwohl er sie nicht besitzt, verkauft er sie. Und er kann sie selbstverständlich, falls gewünscht, auch liefern, indem er sie sich von einem anderen Marktteilnehmer gegen Gebühr leiht (gedeckter Leerverkauf). Er verkauft also eine hohe Stückzahl zu 15 Euro und lässt seinem Börsenpartner die von einem anderen Partner geliehenen Aktien ins Depot legen. Nach einiger Zeit ist das Papier tatsächlich auf 10 Euro gesunken, unser Cleverle deckt sich dann an der Börse ein und reicht diese Aktien an den Leihpartner weiter. Gewinn: 5 Euro pro Aktie, abzüglich der – weitaus geringeren – Leihgebühr.
    Hedgefondsmanager gehen also wahlweise long (Kauf) oder short (Verkauf). Das funktioniert sogar ohne den Einsatz fondseigener Geldmittel: Gelder aus einem Leerverkauf werden nämlich häufig prompt für den Kauf unterbewerteter Aktien verwendet.
    Es wird ein gigantisches Rad gedreht – ohne jeglichen Bezug zur Realwirtschaft. Man ist überhaupt nicht an Substanzwerten interessiert. Hedgefondsmanager handeln mit Luft, die durch Erwartungen erhitzt wird. Das Entscheidende an ihren Konzepten beziehungsweise Strategien ist aber die Tatsache, dass diese ausnahmslos auf Vergangenheitswerten beziehungsweise -erfahrungen beruhen und von dieser Warte aus mit gewissen Wahrscheinlichkeiten versehen sind. Folglich denken Hedgefondsmanager genauso zirkulär wie alle → Finanzanalysten ,

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