Das kritische Finanzlexikon
des Eigenkapitals. Das Eigenkapital dient Unternehmen als »Haftungspuffer«. (Daher ist es auch so schlimm, dass Banken nur mit einem geringen Eigenkapital versehen sind; vgl. → Eigenkapital und seine Rendite .) Vor der Übernahme hatte die GmbH im aufgeführten Beispiel eine Eigenkapitalquote von 75 Prozent (3 Millionen Euro : 4 Millionen Euro * 100). Jetzt beläuft sie sich auf 33 Prozent (2 Millionen Euro : 6 Millionen Euro * 100). Da sich Eigenkapitalund Fremdkapitalanteil in einer Bilanz stets zu 100 Prozent addieren, führt ein Rückgang des Eigenkapitalanteils automatisch zu einem höheren Fremdkapital-, also Schuldenanteil. Die Gesellschaft hat folglich eine erheblich höhere Schuldenlast zu bewältigen.
Aber wieso »Heuschrecken«? Was wird hier »abgegrast«? An dieser Stelle muss man ein wenig ins Fabulieren übergehen. Tatsache ist, dass Müntefering mit seiner Kapitalismuskritik ja nicht generalisiert hat; er sprach in seiner Heuschrecken-Metapher über »manche« Finanzinvestoren. Und hier gilt es wirklich zu differenzieren.
Die neue Muttergesellschaft hat jetzt bei der GmbH das Sagen. Sie wird eine Geschäftsführung installieren, die ihren Vorgaben blindlings folgt. Die neue Geschäftsführung kann zum Beispiel Investitionsentscheidungen treffen, weitere Geschäftsfelder erschließen oder Personal aufstocken beziehungsweise abbauen. Sie könnte eine völlige Neuausrichtung des Unternehmens in Gang setzen.
Sie könnte auch das Unternehmen plündern, zum Beispiel durch Barentnahmen zugunsten der Gesellschafter (also der Private-Equity-Geldgeber). Oder mit »befreundeten« Unternehmen Verträge abschließen, die aufgrund ihrer Modalitäten den guten Freunden viel Geldsegen, dem übernommenen Unternehmen jedoch massive Verluste bescheren. Die Eigenkapitalgeber würden dann steuerlich relevante Abschreibungen auf ihr Engagement bei der GmbH vornehmen und über einen Umweg, als Hintermänner der »befreundeten« Unternehmen nämlich, steuerfreie Gewinne kassieren (vgl. → offshore ).
Es hängt folglich vom Verantwortungsbewusstsein der neuen Inhaber ab, ob es eine Firmenübernahme nach Heuschreckenmanier gibt oder nicht.
Es gibt Beispiele für gute und für schlechte Firmenübernahmen, für weitsichtiges, verantwortungsvolles und für brutales, verantwortungsloses Handeln. Aber das Strukturproblem bleibt: Dem übernommenen Unternehmen werden mehr Schulden aufgebrummt. Und dieses Problem ist den Auswüchsen der Finanzwelt geschuldet. Solange nämlich viel günstiges Geld im Spiel ist, das nach neuen, hochrentablen Verwendungsmöglichkeiten schreit, und darüber hinaus auch noch steuerliche Anreize für Geldgeber existieren, ist die Gefahr einer weitgehend schuldenbasierten Firmenübernahme und eines daraus resultierenden verantwortungslosen Handelns der neuen Unternehmensführung recht groß.
Angenommen, die GmbH erwirtschaftete vor der Übernahme einen Reingewinn von 450 000 Euro. Bei einem Eigenkapital von 3 Millionen Euro ergab das eine Eigenkapitalverzinsung von 15 Prozent. Nach der Übernahme ist ein Eigenkapital von 2 Millionen Euro mit Gewinn zu beglücken. Auf der anderen Seite sind 3 Millionen Euro zusätzliche Schulden mit Zinsen zu bedienen. Gehen wir von 4 Prozent Fremdkapitalzinsen aus. Das wären dann 120 000 Euro, die den Gewinn zusätzlich schmälern. Blieben, falls auch nach der Übernahme ein Gewinn von 450 000 Euro anfiele, 450 000 – 120 000 = 330 000 Euro, zu verteilen auf 2 Millionen Eigenkapital. Das ergäbe eine Eigenkapitalrendite von 16,5 Prozent, also trotz höherer Fremdkapitalbelastung mehr als vorher. An dieser Stelle nutzt unsere Heuschrecke den Hebeleffekt (→ leverage ); dieser tritt ein, wenn die Fremdkapitalzinsen unter der Rendite des Gesamtkapitals liegen. Der Finanzzauber mit dem üppigen Fremdkapital funktioniert also prächtig, solange die Gewinne stimmen und die Fremdkapitalzinsen niedrig sind. Aber der Druck ist groß; von der Ackermann-Benchmark (25 Prozent, vgl. → Eigenkapital und seine Rendite ) ist die GmbH (und damit das Private-Equity-Unternehmen) noch relativ weit entfernt.
Wo wir auch hinschauen, es sind die hohen Finanzvermögen sowie die immensen Kreditschöpfungspotenziale des Bankensystems, die letztendlich für ökonomische, politische und gesellschaftliche und soziale Missstände verantwortlich zeichnen. Die hieraus resultierenden hohen Anlagesummen suchen krampfhaft nach Betätigungsfeldern – in Hedgefonds-, Private-Equity-Anlagen oder
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