Das kritische Finanzlexikon
in irren Produkten wie collateralized debt obligations (→ CDO ).
Und es wird getradet , was das Zeug hält. Kollege Computer dient da schon längst nicht mehr als technisches Instrument, dessen man sich zur Ausführung und Abwicklung von trades bedient. Computer werden selbst zu Tradern .
high frequency trading
Das war vielleicht eine Aufregung! An einem Sonntagabend im April 2012 notierte ein US-Dollar für kurze Zeit mit 90 Schweizer Franken – fast hundert Mal mehr als das Übliche. Ursachen: Fluch der Technik und menschliches Versagen. Es war ein fat finger trade ; ein Händler hatte sich bei der Eingabe eines Auftrages vertippt. Das elektronische Handelssystem arbeitete ohne jegliche Plausibilitätskontrolle. Durch die ultraschnelle Weitergabe des Auftrages stand die Order im System.
Der Händler mit den Wurstfingern hatte Glück, da das Malheur an einem Sonntag passierte. An einem Wochentag hätten die Arbitrageure sich wie Haie auf ihn gestürzt und ihn beziehungsweise sein Handelshaus wahrscheinlich ruiniert.
Der fat finger trade hat zwar nicht direkt mit high frequency trading zu tun, aber er entlarvt die Auswüchse des ultraschnellen Computerhandels. Der Hochfrequenz-Computerhandel stellt eine weitere perverse Variante des modernen Finanzkapitalismus dar. Computeralgorithmen entscheiden hier selbstständig über Zeitpunkt, Preis und Volumen einer Wertpapierorder. Sie lauern auf Kauf- oder Verkaufssignale und entfalten dann ihre Aktivität. Sie werden damit zu virtuellen Kollegen der Hedgefondsmanager. Was diese aufgrund ihrer Erfahrungen noch per Kopf und Hand ausführen, übernehmen die Computer per Programmierung. So werden dann beispielsweise um 12.30 Uhr und 26,5 Sekunden 100 000 X-Aktien zum Kurs von 0,345 Euro gekauft, um dann zum Zeitpunkt 12.30 Uhr und 27,0 Sekunden zu 0,346 Euro, also mit einem Gewinn von 0,001 Euro wieder verkauft zu werden. (In der schönen neuen Finanzwelt gibt es tatsächlich Aktien, die mit einer Null vor und mit drei Stellen nach dem Komma gehandelt werden. Für diese penny stocks gibt es sogar eigene Börsensegmente.) 100 Euro Gewinn in einer halben Sekunde – das ergibt einen Stundenlohn von 720 000 Euro, wenn man dieses Niveau hält.
Nicht nur bei penny stocks , auch in anderen Börsensegmenten ist der Hochfrequenzhandel verbreitet. Die Programme reagieren auf Signale. Eine Finanznachricht oder ein politisches Ereignis mündet bei total vernetzten Börsenplätzen immer in eine Kursänderung. Die Finanzinstrumente sind so vielfältig, dass man mit ihrer Hilfe von Kursänderungen nach oben sowie nach unten profitieren kann; sogar die Schwankung an sich kann für Gewinnmaximierungszwecke ausgenutzt werden (vgl. → Von steigenden, sinkenden und schwankenden Kursen profitieren ). Die Sensibilität, mit der die Marktteilnehmer auf Veränderungen reagieren, verschärft sich. Neue Erkenntnisse finden Eingang in die Algorithmen, die Computer werden entsprechend umprogrammiert – und so weiter.
Alles dreht sich im Kreis. Das Gefährliche ist der Automatismus. Beim Unterschreiten eines bestimmten Kursniveaus schalten Millionen Computer weltweit auf Verkaufen. Klettert der Kurs über eine definierte Grenze, werden Kaufsignale ausgelöst. Bei sinkenden Kursen wird ein automatisierter Verkauf eingeleitet. Ergebnis der dann einsetzenden Kettenreaktionen: hohe Kursausschläge, eventuell Panik. In Zeiten großer Verunsicherung an den Börsen muss daher der vollautomatisierte Computerhandel auch schon mal ausgesetzt werden. Die Technik kann den coolen Akteuren schnell ein Schnippchen schlagen. Die Geister, die ich rief …
Nur etwa einen Monat nach dem oben geschilderten fat finger trade rasten die Kurse an der New Yorker Börse plötzlich in die Tiefe, um 15 Minuten später wieder steil bergauf zu gehen. Ursache war ein Softwarefehler im Hause eines Handelshauses, das auf high frequency trading spezialisiert ist. Eine solche Kurskorrektur ist nicht selbstverständlich. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann diese ausbleiben und es bei einem ähnlichen Fehler zu einer echten Börsenpanik kommen wird. Zumal der ultraschnelle Börsenhandel immer weiter ausufert: In Deutschland macht er bereits 40 Prozent, in den USA 70 Prozent des Wertpapierhandels aus.
homo oeconomicus
Vilfredo Pareto gehört nicht zu denjenigen historischen Persönlichkeiten, die der Allgemeinheit auf Anhieb bekannt sind. Studenten der Wirtschaftswissenschaften ist der italienische Ökonom und Soziologe (1848
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