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Das kritische Finanzlexikon

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Titel: Das kritische Finanzlexikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Wierichs
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Optionsscheinen liegt es allerdings, dass aus Kursgewinnen ebenso schnell wieder Verluste werden können, aber was soll’s: Für den Anleger gibt’s ja zum Schluss eine Rückzahlung von 10 000 Euro aus der sicheren Anlage. Unabhängig davon, ob er den Spekulationsanteil vollständig in den Sand setzt oder nicht. Nach diesem Prinzip kann man aber auch die Garantie für eine kleine Grundverzinsung abgeben: Man steckt nicht die gesamten 350 in die Spekulationskasse, sondern nur einen Teil davon. Der Rest wird zusammen mit den am Schluss fälligen 10 000 Euro als garantierte Mindestverzinsung dem Anleger wieder gutgeschrieben.
    Kapitalgarantieprodukte sind Augenwischerei. Die vollmundig als »Sicherheitsnetz« oder »Null-Risiko« vermarktete Zusage eines Kapitalerhalts ist nichts anderes als das vorgeschaltete Einkassieren von Zinsen zum Zwecke des Abschlusses von Wettgeschäften auf Seiten des Finanzinstituts. Läuft die Spekulationskasse gut, ist eine deutlich höhere Verzinsung als die aus einer sicheren Anlage resultierende Rendite drin. Im äußersten Negativfall geht eben der vorab kassierte Zinsertrag durch den Schornstein.
    Im Gegensatz zum Kapitalanleger aus dem obigen Beispiel haben die Banken in ihrer Kapitalgarantie-Spekulationskasse nicht 350 Euro, sondern Millionen- beziehungsweise Milliardenbeträge zur Verfügung. Damit lässt sich trefflich spekulieren. Und der nicht aufgeklärte Kunde glaubt auch noch, dass die Bank etwas Gutes für ihn tut. Sie tut jedoch nur etwas Gutes für sich, indem sie Provisionen beim Absatz solcher Produkte kassiert.

knock out
    Ein Investmentbanker vereinbart mit einem anderen Trader den folgenden Deal:
    Er kauft das Recht, 1 Million X-Aktien in einem Jahr zum Preis von 120 Euro an einen anderen Trader verkaufen zu dürfen. Sollte die Aktie, die zurzeit bei 100 Euro notiert, bis zum Ablauf des Jahres zumindest ein einziges Mal den Wert von 80 Euro erreichen oder unterschreiten, verfällt dieses Recht jedoch.
    Das ist eine knock-out-option ; sie ist günstiger als ein normaler → put . Unser Investmentbanker spekuliert jedenfalls darauf, dass die Aktie schön sinkt (allerdings nicht auf 80 Euro), dann kann er sie zum überhöhten Preis von 120 Euro verkaufen. Bei einem Kurs von 90 Euro am Ende des Laufzeitjahres hätte er einen Gewinn von 30 Euro, vorausgesetzt, die Knockout-Barriere von 80 Euro wurde zuvor nicht berührt oder unterschritten.
    Er hat aber noch etwas anderes mit der Option vor. Aus solchen Spekulationsdeals kann man nämlich ein »innovatives Produkt« konstruieren. Dieses Produkt könnte dann wie folgt aussehen:
    Bonuszertifikat auf die X-Aktie mit 20-Prozent-Bonuschance!
    Von der Wertentwicklung der X-Aktie profitieren – Bonuschance auch bei Wertverlust
    Zahlen Sie 100 Euro ein. Nach einem Jahr ergeben sich für Sie folgende Rückzahlungsmöglichkeiten:
    1. Die X-Aktie hat während des Jahres kein einziges Mal den Kurs von 80 Euro erreicht oder unterschritten:
a) Rückzahlung in Höhe des aktuellen Wertes der X-Aktie, sofern dieser über 120 Euro liegt;
b) Rückzahlung von 120 Euro, auch wenn der aktuelle Wert der X-Aktie geringer ist.
    2. Die X-Aktie hat während des Jahres zumindest einmal den Kurs von 80 Euro erreicht oder unterschritten: Rückzahlung zum aktuellen Wert der X-Aktie.
    Es handelt sich hier wieder um ein strukturiertes →Produkt. Die einfache Grundform (Hereinnahme des Geldes gegen das Versprechen auf regelmäßige Zinszahlungen und Rückzahlung am Ende der Laufzeit) wird bei diesen Produkten in mannigfaltiger Weise variiert (vgl. → Jeder kann gewinnen ). Der Kunde muss hier in Szenarien denken.

    Der plakative Spruch aus der Anzeige: Von der Wertentwicklung der X-Aktie profitieren – Bonuschance auch bei Wertverlust scheint hier voll ins Schwarze zu treffen. Mindestens 20 Prozent Rendite – und man hat noch die Chance auf eine höhere Wertsteigerung. Aber wir sind ja noch nicht fertig:

    Jetzt ist der Käufer des Bonuszertifikates einem Aktionär der X-Aktie gleichgestellt, weil die knock-out-option nicht mehr zieht.
    Wir vollziehen jetzt einen Perspektivwechsel und versetzen uns in die Lage unseres Investmentbankers. Angenommen, der findet viele Kunden, die ihm sein Produkt abkaufen. Mit deren Geld erwirbt er 1 Million X-Aktien zum aktuellen Kurs von 100 Euro je Aktie. Er trägt fortan jedoch, im Gegensatz zu den Käufern seines Produktes, kein Risiko. Wenn der Aktienkurs nach einem Jahr über 120 Euro liegt, verkauft er die

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