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Das kritische Finanzlexikon

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Titel: Das kritische Finanzlexikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Wierichs
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Aktien und schreibt den Gegenwert seinen Kunden gut. Auch ein darunter liegender Kurs lässt ihn kalt. Die Knock-out-Grenze wurde vorher entweder erreicht oder nicht. Tritt Letzteres ein, kann er die Option ausüben, 120 Euro pro Aktie kassieren und den Gegenwert seinen Kunden gutschreiben. Wenn die Knockout-Grenze erreicht wurde, verkauft er die Aktie ebenfalls und kassiert einen entsprechend geringeren Gegenwert. Das macht ihn nicht weiter nervös, da er auch diesen Betrag kommentar- und klanglos seinen Kunden gutschreibt.
    Der Trader (also im Prinzip die Bank, für die er agiert) ist in jedem Fall fein raus. Gleichwohl hat die Finanzindustrie ein virulentes Interesse an der Vermarktung solcher Produkte. Denn mit jedem Kundengeschäft beim Absatz des Produktes sowie mit jedem zwischenzeitlichen Handel (falls ein Kunde zum Beispiel nach einem halben Jahr seine Anlage zu Geld machen möchte) kassiert die Bank Provisionen sowie Handelsspannen. In den Bankhäusern fungieren die Investmentabteilungen als Makler (→ market maker) für den Handel mit solchen Anlageprodukten und stellen fortlaufend Ankauf- (Geld-) und Verkauf- (Brief-)Kurse. Auch wenn nur 5 Cent Handelsspanne zwischen Geld- und Briefkurs liegen – bei einem täglichen Umsatz von einer Million Stück pro Tag winken 50 000 Euro Gewinn. Und das hier aufgeführte Produkt stellt nur einen verschwindend kleinen Teil des Gesamtvolumens all jener Produkte dar, die von der Branche permanent angeboten werden (vgl. → x-trackers und x-markets; → WAVEs; → Zertifikate ).
    Bleibt noch ein Punkt, der zu klären ist: Wie finanziert der Trader die Kosten für seine knock-out-option ? Ganz einfach: Er hat die X-Aktien für ein Jahr in seinem Bestand. Die irgendwann im Verlauf dieses Jahres fällige Dividende wird er kassieren – und nicht der Anleger. Aus dem Gegenwert kann die Option vorfinanziert werden. Dieser Trick ist in der Branche gang und gäbe und kommt häufig bei sogenannten »innovativen Produkten« zur Anwendung (vgl. auch → Aktienanleihe ). Die X-Aktie wird also nicht nur einfach so als Basis für die Konstruktion des Bonuszertifikates ausgewählt, sondern weil bei ihr in relativ kurzer Zeit eine Dividende zu erwarten ist, die den Aufwand für das zugrunde liegende Optionsgeschäft deckt. Da die Unternehmenszahlen recht frühzeitig auf die später fällige Dividende schließen lassen, kann man mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit die Zahlung prognostizieren.
    In der Praxis werden häufig Bonuszertifikate angeboten, die sich nicht an einer Aktie, sondern an einem → Index orientieren. Auch hier kann man den Dividendentrick anwenden. Es wird ein Index zugrunde gelegt, bei dem nur die Kursentwicklung abgebildet wird, Dividendenzahlungen somit nicht in die Höhe des Indexes einfließen. Die Dividende wird also ebenfalls, hier über den niedrigeren Index, dem Anleger vorenthalten. Zum Vergleich: Der EuroStoxx, ein Index, der die Wertentwicklung der 50 größten europäischen Aktiengesellschaften abbildet, wird als Kursindex (keine Berücksichtigung von Dividendenzahlungen) und gleichzeitig als Performanceindex (Berücksichtigung von Dividendenzahlungen) ermittelt. Mitte Juni 2013 lag der Kursindex bei 2 667 Punkten, der Performanceindex bei 4 431 Punkten. Basis für die vielen Zertifikate, die sich auf den EuroStoxx beziehen, ist natürlich der Kursindex.

Kobold und Kolibri (alias: cobold and colibri)
    Da waren die Marketingstrategen wieder mal kreativ. Unter einem Kobold versteht man einen Hausgeist, der das Haus schützt, aber seine Bewohner gerne auch neckt. Schaden richtet er allerdings nicht an. Der Kolibri ist bekanntlich ein kleiner bunter Vogel, der mit seiner langen Zunge Nektar aus Blüten saugt.
    Die Bankenversion von Kobold und Kolibri wird erstens mit »C« geschrieben; zweitens hat sie
    a) Schaden angerichtet und
    b) Geld aus den Taschen der Anleger gesaugt.
    Auch bei cobold und colibri handelt es sich um strukturierte Anleiheprodukte (vgl. → Jeder kann gewinnen ). Hierbei wird die einfache Grundform einer Schuldverschreibung (Anleihe), nämlich die Hergabe eines Geldbetrages gegen das Versprechen auf regelmäßige Zinszahlung und Rückzahlung zum Fälligkeitszeitpunkt, in mannigfaltiger Weise variiert. Rückzahlung und/oder Zinszahlungen werden gekoppelt an sogenannte »Kreditereignisse«. Der Anleger muss dann lernen, in Szenarien zu denken; diese sollen ihm helfen, die Zins- beziehungsweise Rückzahlungsmöglichkeiten zu

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