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Das kritische Finanzlexikon

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Titel: Das kritische Finanzlexikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Wierichs
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Gauner?
    Leerverkäufe – das ist nur was für coole Leute. Wer cool ist, kann natürlich auch den leverage in seinem Sinne bewegen. Wer ganz besonders cool ist, geht noch einen Schritt weiter und manipuliert im Vorbeigehen mal eben wichtige Zinssätze wie Libor, Euribor und Co. Vor allem sollte man jedoch stets über Liquidität verfügen. Europäische Staaten tun allerdings gut daran, den Vertrag von Lissabon zu studieren, wenn sie ihre Liquidität über Kreditaufnahmen verbessern möchten.

Leerverkäufe
    Manager von → Hedgefonds sind stets auf der Suche nach »unterbewerteten« und »überbewerteten« Wertpapieren. Solche Wertpapiere sind zu »zu billig« oder »zu teuer«. (Wobei es die Finanzanalysten mit ihren dubiosen Methoden sind, die darüber befinden, ob ein Wertpapier als unter- oder überbewertet anzusehen ist.) Wer als Hedgefondsmanager also meint, eine bestimmte Aktie sei überbewertet, muss diese verkaufen. Er hat sie aber zuvor gar nicht gekauft. Also verkauft er sie »leer«. Wie das funktioniert, sei an einem Beispiel erklärt: Ein Hedgefondsmanager verkauft die in seinen Augen überbewertete X-Aktie zum aktuellen Kurs von 30 Euro. Sein Handelspartner überweist ihm brav 30 Euro je Aktie. Als Gegenleistung erhält er X-Aktien, allerdings nicht aus dem Bestand des Hedgefondsmanagers. Der betätigt sich jetzt als Leerverkäufer und leiht sich diese Aktien für eine Weile von einem Dritten gegen Gebühr (z.B. 2‰ des Kurses, also 0,06 Euro je Aktie). Wenn die geliehenen Aktien zurückgefordert werden, deckt der Leerverkäufer sich an der Börse ein und gibt die Aktien zurück. Liegt er mit seiner Einschätzung richtig, ist der Kurs inzwischen gesunken, zum Beispiel auf 25 Euro. Gewinn pro Aktie für den Leerverkäufer: 5 Euro abzüglich 6 Cent Leihgebühr, also 4,94 Euro.
    Es handelt sich hier um einen »gedeckten« Leerverkauf, weil die Aktien über den Weg der Leihe wirklich beschafft werden. Die noch weitergehende Zocker-Variante eines Leerverkaufs, bei dem man sich die Wertpapiere nicht leiht, sondern erst später beschafft (sofern dann noch Geld da ist), ist EU-weit seit Ende 2012 verboten.
    Dennoch kann man auch mit gedeckten Leerverkäufen noch trefflich spekulieren. Man kann sogar das Prinzip noch ausweiten. Angenommen, unser Hedgefondsmanager ist der Auffassung, dass die X-Anleihe mit 30 Euro überbewertet und dass gleichzeitig die Y-Aktie (aktueller Kurs 15 Euro) unterbewertet ist, also jetzt schleunigst gekauft werden muss. Dann greift er zur Long-Short-Equity-Strategie. Er verkauft zunächst die X-Aktie leer. Den Gegenwert legt er jedoch nicht in seinen Sparstrumpf, nein, er kauft dafür zwei Y-Aktien. Nun entwickelt er flugs ein paar Szenarien (ohne Berücksichtigung von Leihgebühren) unter Zugrundelegung verschiedener Kurse:

    Ganz einfache, lineare Beziehungen. Unser cooler Spekulant kann bei jeder Bewegung der beiden Aktien sehen, wohin für ihn die Reise geht. Verharren die Preise bei ihrem Ausgangsniveau (), macht er keinen Profit. Hohe Gewinne kassiert er, wenn seine Spekulation voll aufgeht, die Y-Aktie ( long ) also wirklich steigt und die X-Aktie ( short ) tatsächlich sinkt. Stehen zum Beispiel am Schluss der Spekulationsgala beide Aktien bei 25 Euro (), hat er insgesamt auch 25 Euro verdient: 5 Euro aus dem günstigeren Rückkauf der X-Aktie und zwei Mal 10 Euro aus der Wertsteigerung der Y-Aktien. Geht die Spekulation nur teilweise auf, also steigt zum Beispiel die X-Aktie statt zu sinken, kann der andere Teil seiner Spekulation den hieraus resultierenden Verlust auffangen.
    Aber es geht noch weiter. Das Vertrauen unseres Hexenmeisters in die unterbewertete Y-Aktie ist so groß, dass er gerne noch mehr davon haben möchte. Jetzt kommt die Long-Short-Equity-Strategie mit Fremdkapitaleinsatz zum Zuge.
    Neben den Finanzierungsmitteln aus dem Verkauf der X-Aktie werden weitere 30 Euro aus einer Kreditaufnahme eingesetzt. Es können jetzt vier Y-Aktien erworben werden. Die Berechnung erfolgt der Einfachheit halber mit Zinsen in Höhe von 1 Euro. Dann ergeben sich folgende Szenarien:

    Auch hier gilt: Tut sich beim Kurs gegenüber dem Ausgangsniveau nichts, kann der Spekulant keinen Gewinn realisieren. Im Unterschied zur vorherigen Situation macht er noch einen Verlust in Höhe der zu zahlenden Zinsen von einem Euro (). Dafür kann er jetzt höhere Gewinne kassieren, falls er mit seiner Einschätzung richtigliegt. Stehen beide Aktien später zum Beispiel bei 25 Euro, macht er

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