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Das kritische Finanzlexikon

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Titel: Das kritische Finanzlexikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Wierichs
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einen weitaus höheren Profit von 44 Euro (). Der Verlust für den Fall, dass er sich verkalkuliert, ist hingegen, verglichen mit der vorherigen Situation, nur unwesentlich höher.
    Was für den einzelnen Spekulanten wie ein netter, aber durchaus ernster Zeitvertreib erscheint, ist gesamtgesellschaftlich tödlich. Wertpapiere sind zur Manövriermasse von Zockern geworden. Setzt sich – aus welchen Gründen auch immer – die Mehrheitsmeinung durch, eine Aktie oder eine Anleihe sei unterbewertet, wird sie durch das Leerverkaufs-Karussell nach unten getrieben. Angeblich überbewertete Papiere werden hingegen hochgejubelt. Nicht mehr die Intention, an einem Unternehmen und dessen Wertentwicklung beteiligt zu sein oder einem solchen Unternehmen Geldmittel zwecks Expansion zur Verfügung zu stellen, ist die Leitmaxime des Handelns, sondern die Gier nach schnellem und möglichst hohem Gewinn.

leverage (Hebel)
    Der Hebel ist ein ständiger Begleiter moderner Finanzprodukte. Er funktioniert nach dem Prinzip »teile und herrsche« und schlägt mal nach oben, mal nach unten aus. Grundsätzlich geht es darum, mit geringem Kapitaleinsatz möglichst hohe Gewinne einzufahren.
    Es gibt viele Hebelvarianten. Im Folgenden werden drei wichtige näher beschrieben.
    1. Optionshebel
Bei einer Option erwirbt man das Recht, ein bestimmtes Finanzinstrument, zum Beispiel eine Aktie, innerhalb einer festgelegten Zeit (oder zu einem bestimmten Zeitpunkt) kaufen (→ call ) oder verkaufen (→ put ) zu dürfen. Bewegt sich die Aktie, die auch Basiswert oder underlying genannt wird, ändert sich auch der Wert der Option. Steigt zum Beispiel die X-Aktie um einen Euro, so wird sich auch ein call auf die X-Aktie nach oben bewegen. Denn das Recht, die X-Aktie innerhalb der nächsten Zeit zu einem bestimmten Preis kaufen zu dürfen, wird bei steigendem Aktienkurs ebenfalls wertvoller. Vielleicht steigt die Option nicht um einen ganzen Euro, aber möglicherweise zumindest um 50, 60 oder 70 Cent – über das Ausmaß der Änderung entscheiden wiederum die Annahmen, Meinungen und Stimmungen der Teilnehmer. Die Teilnehmer orientieren sich an der Restlaufzeit der Option und an ihrer »Werthaltigkeit«. Als »werthaltig« kann zum Beispiel das Recht angesehen werden, eine Aktie, die zurzeit 50 Euro kostet, für 40 Euro (Basispreis) kaufen zu dürfen. Die Option muss mindestens 10 Euro wert sein (innerer Wert; vgl. → Derivate ). Steigt nun der Aktienkurs um einen Euro, so wird auch der Optionsschein um einen ähnlich hohen Wert steigen, vor allem, wenn die Option noch eine recht lange Laufzeit aufweist. Würde hingegen bei gleichem Basispreis die Aktie mit 35 Euro notieren, wäre die Option zurzeit »wertlos«. Bei entsprechend langer Optionslaufzeit sind die Spekulanten dennoch bereit, einen Preis hierfür zu zahlen (Zeitwert; vgl. → Derivate ), denn die Aktie kann ja noch steigen und den Basispreis überschreiten, was die Option wieder attraktiv machen würde. In diesem Fall würde eine Aktienkurssteigerung um einen Euro jedoch nur eine sehr viel geringere Steigerung des Optionspreises nach sich ziehen. (Zur Berechnung von Optionspreisen dient in der Praxis das sogenannte Black-Scholes-Modell; vgl. dazu → Von steigenden, sinkenden und schwankenden Kursen profitieren ).
    Auf jeden Fall ist die Option deutlich preisgünstiger die Aktie selber, und daher fällt der Kursanstieg prozentual, das heißt in Relation zum Optionspreis gesehen, deutlich höher aus. Wird eine Option beispielsweise für ein Zehntel des Aktienpreises gehandelt, könnte ein Anleger zehn Scheine für dasselbe Geld kaufen, das er ansonsten für den Kauf der Aktie aufwenden müsste. Bei einem Aktienkurs von 100 Euro und einem Optionsscheinpreis von 10 Euro könnten man beide Alternativen wie folgt darstellen:
    Steigt der Aktienkurs um 3 Euro und der Optionsschein um die Hälfte, also um 1,50 Euro, ist die Wirkung bei den Optionsscheinen in der Summe wesentlich größer, obwohl der Schein nur die Hälfte der Aktienkurssteigerung nachvollzieht. Die Aktie klettert auf 103 Euro und legt damit um 3 Prozent zu. Die Scheine weisen hingegen nach der Steigerung um jeweils 1,50 Euro einen Gesamtwert von 115 Euro auf, was einer prozentualen Steigerung von 15 Prozent entspricht. Im umgekehrten Fall ist der Schrumpfungsprozess bei den Optionsscheinen bedeutend stärker ausgeprägt als bei der Aktie. Es ergibt sich also das Spiegelbild der obigen Darstellung. Der Hebel wirkt eben in beide

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