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Das kritische Finanzlexikon

Das kritische Finanzlexikon

Titel: Das kritische Finanzlexikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Wierichs
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Richtungen
    2. Fremdkapitalhebel
Auch Immobilien sind gern gesehene Spekulationsobjekte. Vermögende Anleger setzen auf Wertsteigerungen, aber natürlich auch auf hohe Mieterträge (die inzwischen in Ballungsgebieten mühelos zu erzielen sind). Auch hier kann man den Hebeleffekt nutzen – durch Maximierung von Fremdkapitaleinsatz.

    Beispiel: Ein Mehrfamilienhaus kostet 1 Million Euro. Es wirft pro Jahr einen Reinertrag von 60 000 Euro (ohne Berücksichtigung von Fremdkapitalzinsen) ab. Ein Investor ermittelt seine Kapitalverzinsung für den Fall, dass er das Objekt zur Hälfte fremdfinanziert. Er berücksichtigt dabei einen Kreditzins von 2 Prozent.
    Der gute Mann müsste 10 000 Euro an Fremdkapitalkosten an die Bank zahlen (2 Prozent auf 500 000 Euro Fremdkapital); es blieben ihm noch 50 000 Euro Einnahmen, verteilt auf 500 000 Euro Eigenkapital. Damit ergäbe sich eine Eigenkapitalrendite in Höhe von 10 Prozent. Würde er nur 100 000 Euro an Eigenmitteln einsetzen, wären 2 Prozent von 900 000 Euro = 18 000 Euro an Zinsen zu zahlen. Vom Mietertrag blieben also 42 000 Euro übrig, zu verteilen auf 100 000 Euro Eigenkapital. Die Eigenkapitalrendite würde auf 42 Prozent hochschnellen. Der »Ertragsblock« ist nur unwesentlich kleiner. In Relation zum außerordentlich stark gesunkenen Eigenkapitalanteil von 100 000 Euro kommt ihm eine ungleich höhere Bedeutung zu.
    Aber auch hier ist selbstredend ein Ausschlag in die andere Richtung möglich. Übersteigt der Fremdkapitalzins zu einem späteren Zeitpunkt die Rendite des ganzen Objektes, was durchaus vorkommen kann (Leerstand, Reparaturen, Steuern), fressen die Kreditkosten den Überschuss quasi auf.

    3. Euro-Rettungshebel
Auch Politiker reden schon mal gerne vom → hebeln . Der Ausdruck fiel häufig bei der Diskussion um den → Rettungsschirm für den Euro. Dieser kann 500 Milliarden Euro für Ankäufe von Staatsanleihen notleidender Eurostaaten einsetzen. Das reicht jedoch nicht aus, um alle Euro-Wackelkandidaten im Ernstfall wieder auf die Spur zu bringen. Der Hebel kann hier zum Beispiel über die Lösung mit dem schönen Namen »Teilkaskoversicherung eingebaut werden«. Dabei würde ein bestimmter Prozentsatz einer Anleihe vom Rettungsfonds als Garantiesumme bei einem Schuldnerausfall übernommen. Bei 40 Prozent Garantie könnte der Fonds also das 2,5-Fache (100 : 40) von 500 Milliarden Euro schultern. Alternativ könnte man dem Rettungsschirm eine Banklizenz verpassen. Dann wäre er in der Lage, ein revolvierendes System von Anleiheankäufen durchzuführen, wobei jeweils ein bestimmter Beleihungsprozentsatz zugrunde gelegt würde. A la bonne heure – das wäre eine → Geldschöpfung ! Bei einer Beleihung zu jeweils 70 Prozent und einem Volumen von 500 Milliarden Euro sähe dies wie folgt aus:

    Theoretisch könnte man so aus 500 Milliarden mehr als 1 600 Milliarden Euro »herstellen«.
    Kaum eine andere Größe symbolisiert den Geist des Kasinokapitalismus so treffend wie der Finanzhebel. Beim Optionshebel partizipieren Spekulanten mit geringem Kapitaleinsatz an Kursbewegungen eines Basiswertes. Der Kredithebel schafft Anreize zur Verminderung des Eigenkapitaleinsatzes. Der Rettungsschirmhebel ermöglicht exzessive Geldschöpfung. Ohne jeden realwirtschaftlichen Bezug unterstützt der leverage das System der Geldausweitung. Viel Geld, aber wenig Eigenkapital – das ist die Botschaft, die über den Finanzhebel in die Welt getragen wird. Das Ausmaß dieser Botschaft scheint uns noch immer nicht bewusst zu sein.

Libor, Euribor und Co.
    Investmentbanker stehen andauernd unter Hochspannung. Diese Spannung kann sich bei exzessiven Feiern entladen, sie zeigt sich aber auch in den branchenüblichen Kommunikationsgepflogenheiten.
    »Hey Alter, wenn du die rate für den Rest der Woche richtig hinkriegst, gebe ich dir ’ne Flasche Schampus aus.«
    Dieser sprachlich feinsinnige Text stammt aus einer EMail, die von der britischen Bankenaufsicht im Juli 2012 publiziert wurde, nachdem der »Libor-Skandal« aufgeflogen war. Die rate , das ist der Libor, der London Interbank Offered Rate . Hierbei handelt es sich um einen täglich ermittelten Durchschnittszinssatz, zu dem international tätige Banken Gelder von anderen Banken aufnehmen beziehungsweise angeboten bekommen. Im Grunde genommen gibt es viele Libors, da nach Laufzeiten und Währungen differenziert wird. Der 3-Monats-Euro-Libor beispielsweise kennzeichnet das Zinsniveau für Interbankengelder in Euro, der

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