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Das kritische Finanzlexikon

Das kritische Finanzlexikon

Titel: Das kritische Finanzlexikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Wierichs
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war das Scheitern des Abkommens ein Schlag ins Kontor. Auch viele bis dato erfolgreiche Steuerhinterzieher sahen sich aus bloßer Angst vor weiteren Datenankäufen plötzlich zu Selbstanzeigen gezwungen. Spektakulärster Fall war die Affäre um den bekennenden Zocker Uli Hoeneß, der im Januar 2013 Steuerhinterziehungen in Millionenhöhe über ein Schweizer Konto eingestand.
    In der Schweiz sieht man angesichts der ganzen Diskussion schon dunkle Wolken am Horizont auftauchen und befürchtet einen Kapital-Aderlass durch die Abwanderung etlicher vermögender (und cleverer) Schwarzgeldanleger in Richtung des nächsten Steuerparadieses.
    Diese Befürchtung ist keinesfalls abwegig. Viele Betuchte denken: »Deutschland ist ohnehin völlig out, die Schweiz ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Also lassen wir uns etwas Neues einfallen.«
    Angebote gibt es reichlich. Wer sein Kapital und dessen Früchte gänzlich ohne staatlichen Einfluss genießen möchte und über hohe Anlagebeträge verfügt, geht richtig → offshore .

O
    Im Grenzbereich
    Dieser Abschnitt steht im Zeichen des großen O. O bedeutet Offenheit. Im Sinne von Freiheit. Die wird von den Akteuren der Finanzwelt überaus geschätzt. Deswegen wickeln sie viele Transaktionen so gerne offshore ab, und deswegen haben sie ein inniges Verhältnis zum open market . Auch OTC steht für Offenheit. Produkte, die over the counter gehen, können vertraglich beliebig ausgestaltet werden und entziehen sich so der Regulierung durch bevormundende Institutionen wie Börsenaufsicht oder Finanzmarkt-Regulierungsstelle.

offshore
    Man kann diesen Begriff recht plastisch anhand eines Beispiels aus der Realökonomie beschreiben: Sie kaufen im Supermarkt ein Bündel praller, goldgelber Bananen. Auf irgendeiner Frucht wird mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Aufkleber mit der Bezeichnung »Chiquita«, »Dole« oder »Del Monte« angebracht sein, denn diese drei Konzerne kontrollieren zwei Drittel der weltweiten Bananenexporte. Aber Sie denken darüber nicht weiter nach, zahlen 1,50 Euro für vier Bananen.
    Der Weg einer Banane von der Staude bis in eine Müslischale ist relativ leicht zu beschreiben. Die Früchte werden im unreifen Zustand geerntet, gereinigt, verpackt und unter bestimmten Temperatur- und Feuchtigkeitsbedingungen in speziellen Bananenfrachtern transportiert. Irgendwann landen sie, inzwischen gelb und damit reif geworden, im Supermarktregal.
    Geldströme im Zusammenhang mit dem »Bananenweg« sind ungleich schwieriger nachzuvollziehen, vor allem wenn es sich um Früchte aus dem Herrschaftsbereich der drei marktbeherrschenden Konzerne handelt. Diese Konzerne haben es erstens geschafft, Produktionsbedingungen und politische Rahmensetzungen in den Anbauländern gemäß ihren Wünschen und Vorstellungen prägend zu beeinflussen; der Begriff »Bananenrepublik« leitet sich schließlich aus dieser Schlüsselqualifikation ab. Zweitens ist es den Heerscharen ihrer Anwälte, Steuerberater und Controllingspezialisten gelungen, sämtliche Abläufe beim Ernte-, Verpackungs-, Transport- und Distributionsprozess in Untereinheiten zu zerlegen und diese Einheiten auf einzelne Konzerntöchter zu übertragen. Dabei gehen sie offshore . Dies könnte dann zum Beispiel so aussehen: Die Bananen werden in Costa Rica geerntet. Die Handelsgesellschaft sitzt auf den Virgin Islands. Für monetäre Transaktionen ist ein Finanzdienstleister in Luxemburg zuständig. Den Transport übernimmt eine in Panama registrierte Reederei. Versichert werden alle Transporte durch eine auf den Bahamas ansässige Gesellschaft.
    Auf diese Weise können die konzerninternen Geschäftsbeziehungen so gestaltet werden, wie es der Konzernspitze am liebsten ist. Und am liebsten ist diesen Leuten das, was Steuern spart und Kosten senkt – beides natürlich in erheblichem Maße. Das klingt zunächst einmal nicht dramatisch. Die Sache erscheint jedoch in einem anderen Licht, wenn man einen Blick auf die Hintergründe bei den einzelnen Elementen der verschachtelten Offshore-Konstruktionen wirft. In unserem Beispiel könnte eine solche Konstruktion dann zum Beispiel so aussehen, dass der Luxemburger Finanzdienstleister dem für die Ernte in Costa Rica zuständigen Unternehmen Kredite zur Verfügung stellt; die Zinsaufwendungen mindern den Gewinn, so dass de facto im Produktionsland so gut wie keine Steuern anfallen. Alle in Luxemburg eingehenden Erträge werden nach dortigem Recht nur mit einem geringen Steuersatz belegt.

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