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Das kritische Finanzlexikon

Das kritische Finanzlexikon

Titel: Das kritische Finanzlexikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Wierichs
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(In Luxemburg existieren besonders für spezialisierte Finanzgesellschaften zahlreiche steuerliche Sonderregelungen.) Die Reederei aus Panama (das eher mickrige Land unterhält zurzeit eine der größten Handelsflotten weltweit) sorgt für Frachtkostenoptimierung im Sinne niedriger Sicherheitsstandards auf den Seelenverkäufern und sozialversicherungsfreier Dumpinglöhne für das Schiffspersonal. Man sieht: Das Prinzip offshore ist zutiefst unmoralisch (eventuell sogar kriminell), da es die Durchsetzung berechtigter Ansprüche auf gerechte Entlohnung, sichere Arbeitsbedingungen und angemessene Besteuerung verhindert. Große Konzerne setzen – ebenso wie vermögende Privatkunden – alles daran, Faktoren zu vermeiden, die einer ungebremsten Geldvermehrung im Wege stehen. Transparenz, internationaler Austausch über Kapitalerträge, angemessen hohe Steuersätze sowie eine strenge Finanzaufsicht und nicht zuletzt auch Sozialstandards wirken da eher kontraproduktiv. Folglich zeichnen sich Offshore-Zentren durch das genaue Gegenteil aus: lächerlich niedrige Steuersätze, Nicht-Kooperation bei Anfragen durch ausländische Behörden, fehlende beziehungsweise mangelhafte Finanzaufsicht.
    Immerhin kann man großen Bananenkonzernen sowie den meisten vermögenden Privatkunden nicht unterstellen, dass sie ihr Geld mit Prostitution, Drogen- oder Waffenhandel verdienen. Aber auch Kriminelle profitieren selbstredend von den vielen Offshore-Zentren. Denn diese bieten ein ideales Umfeld für Geldwäschegeschäfte.
    Jeder Geldwäschevorgang läuft in drei Stufen ab. In der ersten Stufe, dem sogenannten Placement (Einspeisung) wird das aus illegalen Aktivitäten kassierte Bargeld in Buchgeld oder andere Vermögenswerte umgetauscht. Bei der Einzahlung von Bargeld auf Konten beispielsweise bedienen sich die Kriminellen oft der Hilfe von Strohmännern. Dann wird, in einer zweiten Stufe, die wirkliche Herkunft des Geldes durch umfangreiche Finanztransaktionen verschleiert (Layering). Das läuft über viele eigens hierfür gegründete Scheinfirmen. Ist die Herkunft des Geldes durch die zahlreichen Umbuchungen nicht mehr nachvollziehbar, erfolgt in der dritten Stufe die Investition (Integration) des Geldes in den legalen Wirtschaftskreislauf. Die kriminelle Organisation besitzt dann legale Geldanlagen, über die sie frei verfügen kann. Aufgrund der Intransparenz und Verweigerung eines Informationsaustauschs mit anderen Ländern sind Offshore-Zentren vor allem als Zwischenstationen beim Verschleierungsvorgang ein Paradies für Geldwäsche
    So richtig ins Blickfeld der Öffentlichkeit rückten die Offshore-Länder durch das sogenannte offshore-leak im April 2013. Daten in einem Volumen von 260 Gigabyte (das entspricht in etwa einer Menge von 2,5 Millionen Dokumenten) gelangten in die Hände von Journalisten. Sehr interessante Daten – das Leck offenbarte detaillierte Einzelheiten über etwa 130 000 Personen, die umfangreiche Kapitalanlagen in einschlägigen Steueroasen angelegt beziehungsweise ein umspannendes Firmennetz dort aufgezogen hatten.
    Offshore-Plätze sind keineswegs nur auf exotischen Karibikinseln anzutreffen. Eine von der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) ins Leben gerufene Initiative, das sogenannte »Finanzstabilitätsforum«, unterteilt die weltweit anzutreffenden Offshore-Plätze in drei Kategorien. In der umfangreichen Liste zur untersten dieser Kategorien (»Infrastruktur, gesetzliche Regelungen und Zusammenarbeit mit internationalen Institutionen sind hier am geringsten ausgeprägt.«) finden wir neben üblichen Verdächtigen wie den Bahamas, den Cook-, Jungfern- oder Caymaninseln zum Beispiel auch Liechtenstein und Zypern. In der Republik Zypern tummelten sich Ende 2012 beispielsweise (geschätzt) 250 000 Kapitalgesellschaften. Bei einer Einwohnerzahl von 900 000 teilten sich zu diesem Zeitpunkt jeweils vier Zyprioten also eine Finanzfirma. Hut ab! Und auf den mickrigen 153 Quadratkilometern der britischen Jungferninseln kommen 810 000 Gesellschaften auf 30 000 Einwohner. Das ist noch beeindruckender.
    London ist ebenfalls offshore , denn die City of London genießt einen besonderen politischen Status. Die City hat eine eigene Verwaltung unter dem Vorsitz des Lord Mayor of London , der nicht mit dem Mayor of London , dem eigentlichen politischen Oberhaupt der Stadt, verwechselt werden darf. Sie verfügt über eine eigene Polizei- und Gesundheitsbehörde. Ferner ist sie sehr

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