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Das kritische Finanzlexikon

Das kritische Finanzlexikon

Titel: Das kritische Finanzlexikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Wierichs
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verschwiegen und, was die Bankenwelt besonders schätzt, in puncto Finanzmarkregulierung äußerst freizügig. Hedgefonds oder vermögende Privatkunden residieren hier als non-doms : Sie sind dann zwar in England ansässig, aber nicht »domiziliert«. Die Konsequenz aus dieser trickreichen Konstruktion ist, dass die im Ausland erwirtschafteten Einkommen dieser Leute nicht der Versteuerung in Großbritannien unterliegen. Russische Oligarchen (die in der Öffentlichkeit vor allem als Besitzer englischer Fußballclubs bekannt sind) profitieren hiervon ebenso wie griechische Reeder. 2007 kündigte man vollmundig erhebliche Verschärfungen in Bezug auf den Status als non-dom an. Geändert hat sich dank der Interventionen seitens der City nicht viel. Großbritannien ist nach wie vor ein Steuerparadies für betuchte Ausländer.

open market
    Als Christian Bergers gegen 15 Uhr einen Anruf mit unterdrückter Rufnummer erhält, denkt er zunächst nichts Böses. Einige seiner Freunde und Bekannten haben ihr Telefon aus Bequemlichkeit oder aus anderen Gründen auf »Anrufer-ID verbergen« eingestellt. Diesmal ist jedoch ein unbekannter Mann am anderen Ende der Leitung. Der scheint, nach seiner Stimme zu urteilen, recht jung und sympathisch zu sein. Außerdem macht er einen äußerst dynamischen Eindruck. Es gehe um Marktforschung, sagt er, genauer um die Nutzung von Navigationsgeräten. Herr Bergers lässt sich ein wenig einlullen.
    Herr Bergers benutze doch gewiss ein solches Gerät, legt der Anrufer los. Ja, antwortet Herr Bergers, aber er tue das nicht regelmäßig; das System habe so seine Macken – zwei Mal sei er bereits auf Anweisung der freundlichen Stimme des Gerätes in eine Einbahnstraße gefahren und einmal sogar fast in einer niederländischen Gracht gelandet.
    Der freundliche junge Mann hört sich alles geduldig an und kommt dann auf den Zweck seines Anrufs zu sprechen. Ob Herr Bergers denn schon mal etwas von der Bric-Navi-Systems gehört habe? Nein, hat er nicht. Nun, fährt sein Gesprächspartner fort, dieses vielversprechende Unternehmen habe jetzt ein neues Log-In-Systronic-Feature für Navigationsgeräte entwickelt. Dieses selbstlernende Programm würde solche Fehler zukünftig todsicher vermeiden. Noch gebe es die Aktie die Bric-Navi-Systems zum Schnäppchenpreis von 60 Cent, aber sobald sich die Neuigkeit schnell herumgesprochen habe, werde so richtig die Post abgehen.
    Das ist nur einer der vielen Tricks, die am open market zur Anwendung kommen. Ein Unternehmen, das mit minderwertigen Elektrogeräten handelt, wird durch gezielte Telefonaktionen (die Anrufer stecken dann mit dem Unternehmensbossen unter einer Decke) zum Technik-Spezialisten hochgejubelt. Solche Anrufe sind verboten, aber es kommt immer wieder vor, dass Betrüger unter der Tarnung ihrer Telefonaktion als Marktforschungsumfrage unwissende Verbraucher ködern. Im geschilderten Beispiel geht es darum, die Nachfrage nach einer wertlosen Aktie anzukurbeln. Wenn viele der Angerufenen auf den Trick hereinfallen und die Aktie ordern, geht die Rechnung auf. Dann lösen die Hintermänner ihre Position mit Gewinn auf; der Kurs sinkt wieder. Charakteristisches Merkmal solch windiger Strategien sind entsprechend gezackte Kursbewegungen bei den betroffenen Aktien.
    Wie im Abschnitt → Markt deutlich wurde, kann man Börsenpreise generell relativ leicht manipulieren. Besonders gut funktioniert eine Kursmanipulation, wenn Stückzahlen und Kurse relativ niedrig sind. Und das ist beim Offenen Markt meist der Fall.
    Der open market , auch Freiverkehr genannt, ist ein Teilbereich des deutschen Börsenhandels, der keiner staatlichen Regulierung unterliegt. Transparenzanforderungen wie Ad-hoc-Mitteilungen (vgl. → Insider ) oder Quartalsberichte sowie gesetzliche Publizitätsvorschriften existieren hier nicht. Es gilt das neoliberale Motto: Freier Kapitalverkehr mit ungehindertem Zugang von Unternehmen zu den Börsenhandelsplätzen. De facto wird dieser Teilmarkt zur Spielwiese für Betrüger, obwohl natürlich nicht alle dort notierten Unternehmen unter Generalverdacht gestellt werden können. Ein weiteres Erfolgsmodell für Anlagebetrüger am Offenen Markt ist der »MantelTrick«. Man kauft ein Unternehmen, das keine Geschäfte mehr betreibt, aber offiziell noch besteht (Unternehmensmantel). Der Rest ist Augenwischerei-Marketing: Der neuen Firma verpasst man zunächst eine gute Story. Damit sich das Ganze richtig lohnt, muss nun eine hohe Anzahl an Aktien

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