Das kritische Finanzlexikon
30-jährige Angestellte der Drehmomentum AG vor fünf Jahren für eine betriebliche Altersvorsorge entschieden. 2 150 Euro, das entspricht 4 Prozent seines Jahresbruttogehaltes, werden über seinen Arbeitgeber in den Fonds angelegt. Im Dezember 2012 steht ihm laut Depotauszug ein individuelles Versorgungskapital von 12 200 Euro zu; die ausgewiesene Mindestleistung von 10 750 liegt um 12 Prozent darunter.
Bei den 10 750 Euro handelt es sich um das bisher von Herrn Springer angelegte Geld (5 * 2 150 Euro). Diesen Betrag muss der Fonds gewährleisten, denn zum Rentenbeginn hat der Sparer laut gesetzlicher Vorgabe einen Anspruch auf Rückgewährung der von ihm geleisteten Beiträge. Gewonnen hat er dann noch nichts, ja, er hätte sogar verloren, falls er bei Erreichen des Rentenalters nur die von ihm insgesamt gesparten Beiträge zurückerhielte. Dann würde nämlich eine jahrelange Null-Verzinsung vorliegen. Daher muss Herr Springer darauf bauen, dass sein Fonds mit seinem Geld erfolgreich spekuliert. Bisher war der Fonds insofern erfolgreich, als er in den bisherigen fünf Anlagejahren 1 450 Euro (12 200 – 10 750) für den Angestellten als Verzinsung herausgeholt hat.
Entscheidend ist bei jedwedem Altersvorsorgeprodukt die Kluft zwischen garantierter Rente und möglicher Rente bei Erreichen des Ruhestandsalters. Diese Kluft ist höchst unterschiedlich, sie differiert im Wesentlichen je nach Anbieter (und damit nach dessen Kostenstruktur und Anlageglück) sowie nach der jeweiligen Anlageform. Außerdem ist sie abhängig von bestimmten optionalen Zusatzvereinbarungen wie Todesfallschutz für Hinterbliebene oder Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Wir haben es also auch hier mit unseren inzwischen wohlbekannten finanzmarkttypischen Phänomenen zu tun: einer kaum zu überblickenden Anbieter- und Produktvielfalt sowie einem Dschungel schier undurchdringlicher Zusatzregelungen. All dies macht eine Vergleichbarkeit sehr schwer respektive fast unmöglich. Auf jeden Fall spielt die Lücke zwischen individuellem Kapital und Mindestleistung bei allen Altersvorsorgeprodukten eine zentrale Rolle, egal ob man sie so bezeichnet oder mit Worthülsen wie »garantierte Rente im Vergleich zum individuellen Anspruch« umschreibt.
Diese Differenzierung ist immanentes Prinzip von spekulationsbasierten Geldanlagen. Ein Prinzip, das bei Altersvorsorgeprodukten aufgrund des langfristigen Anlagehorizontes ganz besonders ins Gewicht fällt. Abgesehen davon, dass man von absoluter Sicherheit ohnehin nie sprechen kann – hier werden wieder Erwartungen und Hoffnungen ins Spiel gebracht.
Der Gesetzgeber hat mit Bedacht die Garantieverpflichtung auf Rückgewährung der geleisteten Beiträge bei Rentenbeginn gesetzlich festgezurrt. Sonst hätte man ja die Kunden verschreckt. Aber auch diese Garantie sollte man einmal überdenken. Bei einem echten GAU an den internationalen Kapitalmärkten könnte es zu einer Situation kommen, in der eine Kapitalerhaltungsgarantie genau so wenig einlösbar wäre wie die an alle deutschen »Sparerinnen und Sparer« gerichtete politische → Garantie von Frau Merkel nach dem Zusammenbruch des Bankhauses Lehman Brothers.
Die Finanzindustrie kümmert das recht wenig. Man setzt wie gehabt auf funktionierende Börsen, die – so das allseits vorherrschende Credo – den Anbietern langfristig stets höhere Renditen bescheren als ein langweiliger Sparplan. Und so vermittelt man dynamischen 30-Jährigen, dass eine jahrzehntelang währende regelmäßige Ansparung eines überschaubaren Betrages in eine selige Rentenzeit münden wird. Selbstredend verhält sich dann die Seligkeit proportional zum Risiko, das der Anleger einzugehen bereit ist. Man setzt also, um es auf den Punkt zu bringen, auf fondsbasierte Altersvorsorgeprodukte (vgl. → Fondsanlagen ), wenn der Kunde höhere Renditeansprüche stellt. Konservativen respektive weniger risikobereiten Anlegern verpasst man eine herkömmliche Rentenversicherung.
Dazu ein Beispiel. Für einen 30-jährigen Alleinverdiener mit zwei Kindern, der 1 800 Euro pro Jahr für seine Altersvorsorge anlegt, könnten folgende Angebote herauskommen:
Es wäre übrigens schön, wenn diese Gegenüberstellung in den marktschreierisch-bunten Werbeprospekten genauso übersichtlich wäre; meist wird die obere Zahl fett gedruckt, während der enttäuschende kleinere Wert im verschämter Kleinschriftgröße ausgewiesen wird.
Aber das »Prinzip Börsenhoffnung« ist klar: Im zweiten
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