Das krumme Haus
verhältnismäßig bescheidenes Einkommen. Er sagte, auf diese Weise hätte er noch einen Lebensinhalt. Seit damals wurde er dann…«, zum ersten Mal spielte ein schwaches Lächeln um Philips Lippen, »infolge verschiedener Unternehmungen noch reicher als zuvor.«
»Zogen Sie und Ihr Bruder wegen finanzieller Schwierigkeiten hierher?«
»O nein. Wir fanden es bequem und angenehm. Mein Vater hatte immer gesagt, dass wir in seinem Hause jederzeit willkommen wären. Aus verschiedenen familiären Gründen passte uns das gut.« Ungefragt fügte Philip hinzu: »Ich hing auch sehr an meinem Vater. Ich zog 1937 hierher. Ich bezahle keine Miete, beteilige mich aber an den Hypothekenzinsen.«
»Und Ihr Bruder?«
»Mein Bruder zog her, weil er 1943 in London ausgebombt wurde.«
»Nun, Mr Leonides, haben Sie eine Ahnung von den testamentarischen Verfügungen Ihres Vaters?«
»Ich kenne sie genau. Er machte 1946 ein neues Testament. Mein Vater kannte keine Geheimnisse vor uns, er besaß einen ausgeprägten Familiensinn. Wir trafen uns auf seine Bitte hin alle bei seinem Anwalt, der uns die testamentarischen Verfügungen erklärte. Ich nehme an, dass Sie über diese Verfügungen schon Bescheid wissen. Dr. Gaitskill wird Ihnen wohl gesagt haben, dass meine Stiefmutter, abgesehen von ihrer bei der Heirat festgesetzten lebenslangen Rente, hunderttausend Pfund erhält. Das restliche Vermögen wird gedrittelt – ein Drittel geht an mich, eins an meinen Bruder, und eins wird für die drei Enkelkinder verwaltet. Der Gesamtbesitz ist sehr groß; aber die Erbschaftssteuern werden natürlich einen guten Teil verschlingen.«
»Und Legate für Angestellte oder Stiftungen?«
»Nichts dergleichen. Der Lohn der Angestellten wurde jedes Jahr erhöht, wenn sie blieben.«
»Fehlt es Ihnen vielleicht – verzeihen Sie die Frage, Mr Leonides – an Bargeld?«
»Die Steuern sind zwar eine Last, wie Sie selbst wissen werden, Chefinspektor, aber mein Einkommen reicht für meine Bedürfnisse. Außerdem beschenkte mein Vater uns alle immer wieder sehr großzügig, und wenn irgendein Notfall eingetreten wäre, hätte er uns sofort geholfen.« Philip setzte kalt und klar hinzu: »Ich kann Ihnen versichern, dass ich aus finanziellen Gründen meinem Vater nicht den Tod zu wünschen brauchte.«
»Verzeihen Sie, aber ich muss den Dingen auf den Grund gehen. Leider kommen deshalb noch einige peinliche Fragen. Sie betreffen die Beziehung zwischen Ihrem Vater und seiner Frau. Standen sie gut miteinander?«
»Soviel ich weiß, ausgezeichnet.«
»Keine Streitigkeiten?«
»Ich glaube nicht.«
»Waren Sie einverstanden mit der zweiten Heirat Ihres Vaters?«
»Nach meinem Einverständnis wurde nicht gefragt.«
»Das ist keine Antwort, Mr Leonides.«
»Ich gestehe, dass ich die Heirat… unklug fand.«
»Machten Sie Ihrem Vater deshalb Vorhaltungen?«
»Als ich davon hörte, war es eine vollendete Tatsache.«
»Wohl ein Schrecken für Sie, wie?« Philip antwortete nicht.
»Wie gestaltete sich Ihre Beziehung zu Mrs Leonides?«
»Ausgezeichnet. Wir sehen uns allerdings selten.« Taverner wechselte das Thema.
»Können Sie mir etwas über Mr Laurence Brown sagen?«
»Leider nicht. Er wurde von meinem Vater angestellt.«
»Immerhin als Erzieher Ihrer Kinder, Mr Leonides.«
»Allerdings. Mein Sohn erkrankte an Kinderlähmung – zum Glück nicht allzu schwer –, und man hielt es für besser, ihn nicht zur Schule zu schicken. Mein Vater schlug vor, für ihn und meine jüngste Tochter Josephine einen Privatlehrer zu engagieren, und damals hatte man nur eine beschränkte Auswahl, weil nur Lehrer infrage kamen, die nicht militärpflichtig waren. Laurence Brown konnte gute Zeugnisse vorweisen, mein Vater und meine Tante, die immer für das Wohlergehen meiner Kinder gesorgt hatte, waren zufrieden, und ich stimmte zu. Ich möchte hinzufügen, dass er als Lehrer durchaus pflichtbewusst ist und nie zu Klagen Anlass gegeben hat.«
»Er wohnt nicht hier, sondern in der Wohnung Ihres Vaters, nicht wahr?«
»Dort ist mehr Platz.«
»Entschuldigen Sie die Frage – haben Sie jemals bemerkt, dass zwischen Laurence Brown und Ihrer Stiefmutter eine nähere Beziehung besteht?«
»Ich hatte keine Gelegenheit, etwas dergleichen zu bemerken.«
»Ist Ihnen irgendwelcher Klatsch dieser Art zu Ohren gekommen?«
»Ich gebe nichts auf Klatsch, Chefinspektor.«
»Das glaube ich Ihnen gern. Sie sahen also nichts Böses, hörten nichts Böses und sagten nichts
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