Das krumme Haus
Böses?«
»Wenn Sie es so ausdrücken wollen, Chefinspektor.«
Taverner stand auf.
»Also«, sagte er, »meinen besten Dank, Mr Leonides.«
Ich verließ das Zimmer unauffällig mit ihm.
»Hu!«, stieß er hervor. »Was für ein kalter Fisch!«
7
» U nd jetzt wollen wir mit Madame Philip sprechen«, sagte Taverner. »Mit Magda West, wie ihr Bühnenname lautet.«
»Ist sie eine gute Schauspielerin?«, fragte ich. »Ich kenne ihren Namen und habe sie, glaube ich, auch schon öfter gesehen; aber ich erinnere mich nicht, wann und wo.«
»Sie gehört zu den Beinahe-Prominenten«, erwiderte Taverner. »Sie spielte im Westend ein- oder zweimal eine große Rolle; aber im Allgemeinen tritt sie nur in den kleinen literarisch anspruchsvollen Theatern und in Wohltätigkeitsvorstellungen auf. Das liegt wohl daran, dass sie nicht aufs Verdienen angewiesen ist. Sie kann sich ihre Rollen aussuchen und sogar die Aufführung eines Stückes finanzieren, wenn sie findet, dass eine gute Rolle drin ist – meist eignet sie sich dann gerade für diese. Das Ergebnis ist, dass man sie zu den Dilettanten zählt. Sie ist gut, wohlgemerkt, vor allem in Lustspielen; aber die Theaterdirektoren lieben sie nicht sehr – sie sagen, sie sei zu unabhängig und mache immer Stunk. Ich weiß nicht, wie weit das zutrifft. Jedenfalls ist sie bei ihren Kollegen nicht allzu beliebt.«
Sophia kam aus dem Salon und sagte: »Meine Mutter ist hier, Chefinspektor.«
Ich folgte Taverner in den großen Salon. Im ersten Augenblick erkannte ich die Frau kaum wieder, die da auf dem Brokatsofa saß. Das tizianrote Haar war zu einer hohen Frisur aufgetürmt, und sie trug ein gut geschnittenes dunkelgraues Jackenkleid mit einer zart gefältelten blaugrünen Bluse, an der eine kleine Kameenbrosche steckte. Zum ersten Mal fiel mir ihr entzückendes Stupsnäschen auf.
»Chefinspektor Taverner?«, rief sie. »Kommen Sie und setzen Sie sich. Möchten Sie rauchen? Eine schreckliche Sache. Ich kann es einfach nicht fassen.« Sie sprach leise und ausdruckslos wie ein Mensch, der beschlossen hat, um jeden Preis die Selbstbeherrschung zu bewahren. »Sagen Sie mir bitte, ob ich Ihnen irgendwie behilflich sein kann.«
»Vielen Dank, Mrs Leonides. Wo befanden Sie sich zur Zeit der Tragödie?«
»Wahrscheinlich gerade auf der Heimfahrt von London. Ich hatte an dem Tag mit einer Freundin im Ivy zu Mittag gegessen. Danach gingen wir zu einer Modenschau. Zusammen mit einigen Bekannten tranken wir noch etwas im Berkeley. Mein Schwiegervater hatte inzwischen einen Anfall gehabt. Als ich heimkam, war er… tot.« Ihre Stimme zitterte ein wenig.
»Hatten Sie Ihren Schwiegervater gern?«
»Sehr.« Ihre Stimme hob sich. Sophia rückte vorsichtig den Degas gerade. Magdas Stimme nahm wieder den gedämpften Ton an. »Ich hatte ihn sehr gern«, sagte sie mit ruhiger Stimme. »Wir hatten ihn alle sehr gern. Er war… sehr gut zu uns.«
»Kamen Sie mit Mrs Leonides gut aus?«
»Wir sahen Brenda nicht sehr oft.«
»Warum nicht?«
»Ach, wir hatten nicht viel gemein. Die arme, liebe Brenda. Das Leben muss manchmal hart gewesen sein für sie.«
Wieder machte sich Sophia am Degas zu schaffen.
»Inwiefern?«
»Ach, ich weiß nicht.«
Mit einem kleinen Lächeln schüttelte Magda den Kopf.
»War Mrs Leonides glücklich mit ihrem Mann?«
»Oh, ich glaube.«
»Keine Streitigkeiten?«
Abermals das Kopfschütteln mit dem kleinen Lachen.
»Das weiß ich wirklich nicht. Unsere Wohnungen liegen ziemlich weit auseinander.«
»Sie war sehr freundlich zu Mr Brown, nicht wahr?«
Magda Leonides wurde steif. Aus großen Augen blickte sie Taverner vorwurfsvoll an. Würdevoll antwortete sie: »Solche Fragen dürfen Sie nicht stellen. Brenda ist zu allen Menschen freundlich. Sie ist wirklich sehr liebenswürdig.«
»Mögen Sie Mr Brown?«
»Er ist sehr ruhig und recht nett; aber man bemerkt ihn kaum. Ich habe nie viel von ihm gesehen.«
»Ist er als Lehrer gut?«
»Ich denke. Das weiß ich wirklich nicht. Mein Mann scheint mit ihm zufrieden zu sein.«
Taverner versuchte es mit der Schocktaktik.
»Entschuldigen Sie die Frage – bestand zwischen Mr Brown und Mrs Brenda Leonides ein Liebesverhältnis?«
Magda erhob sich – jeder Zoll eine Dame.
»Ich habe nie etwas bemerkt, das darauf hindeutete. Ich finde wirklich, dass Sie mir solche Fragen nicht stellen sollten. Sie war die Frau meines Schwiegervaters.«
Taverner erhob sich ebenfalls.
»Das sind wohl eher Fragen für die
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