Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das krumme Haus

Das krumme Haus

Titel: Das krumme Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
Dienerschaft?«
    Magda antwortete nicht.
    »Ich danke Ihnen, Mrs Leonides«, sagte er und ging hinaus.
    »Das hast du ausgezeichnet gemacht«, sagte Sophia herzlich zu ihrer Mutter.
    »Ja…. ich glaube, so war es richtig gespielt«, nickte Magda.
    Sophia sah mich an.
    »Musst du nicht mit dem Inspektor gehen?«
    »Sag mal, Sophia, was soll ich eigentlich…« Ich stockte. Ich konnte vor ihrer Mutter nicht unumwunden fragen, was für eine Rolle ich eigentlich spielen sollte. Magda Leonides hatte mich bis jetzt, abgesehen von ihrem Schlusssatz vor dem Abgang, überhaupt nicht beachtet. Ob ich nun ein Reporter war, der Verlobte ihrer Tochter, ein dunkles Anhängsel der Polizei oder gar ein Leichenbitter – Magda Leonides hätte sie alle unter den Generalnenner »Zuschauer« subsumiert.
    Mrs Leonides betrachtete missbilligend ihre Füße und sagte unzufrieden: »Die Schuhe passen nicht. Zu frivol.«
    Ich gehorchte Sophias gebieterischer Handbewegung und eilte Taverner nach. In der vorderen Halle holte ich ihn ein, als er gerade durch die Tür zur Treppe ging.
    »Ich will jetzt mit dem älteren Bruder sprechen«, erklärte er. Ohne alle Umstände unterbreitete ich ihm meine Sorgen.
    »Sagen Sie, Taverner, was stelle ich hier eigentlich vor?«
    Er machte ein erstauntes Gesicht.
    »Ja, was soll ich hier tun? Wenn man mich fragt, was kann ich dann antworten?«
    »Ach so.« Er überlegte einen Augenblick. Dann lächelte er. »Hat man Sie schon gefragt?«
    »Nein.«
    »Dann belassen Sie es doch dabei. Nie Erklärungen abgeben. Das ist ein guter Leitspruch. Vor allem in einem Hause, wo ein solches Durcheinander herrscht wie hier. Alle sind von ihren eigenen Sorgen und Ängsten so in Anspruch genommen, dass sie keine Lust haben, groß Fragen zu stellen. Sie nehmen Sie als selbstverständlich hin, solange Sie Sicherheit zeigen. Es ist ein großer Fehler, etwas zu sagen, wenn es nicht nötig ist. So, jetzt gehen wir die Treppe hinauf. Sicher ist Ihnen klar, dass meine Verhöre reiner Humbug sind. Es spielt gar keine Rolle, wer im Hause war und wer nicht, oder wo sich alle an dem betreffenden Tag befanden…«
    »Aber warum…«
    »Auf diese Weise habe ich Gelegenheit, mir von allen ein Bild zu machen, sie anzuhören, und ich hoffe, dass ich dabei zufällig einen nützlichen Wink erhalte. Ich wette, dass zum Beispiel Mrs Magda Leonides eine Menge sagen könnte, wenn sie wollte.«
    »Wäre sie glaubwürdig?«, fragte ich.
    »O nein. Aber sie würde vielleicht einen Hinweis auf die mögliche Richtung der Untersuchung geben. Jeder hier im Hause hatte Mittel und Gelegenheit. Was mir fehlt, ist ein Motiv.«
    Die Treppe endete bei einer Tür mit Messingklopfer, den Taverner pflichtschuldigst in Bewegung setzte. Die Tür wurde mit erschreckender Promptheit von einem Mann geöffnet, der gerade dahinter gestanden haben musste. Es war ein vierschrötiger Riese mit kräftigen Schultern, wirrem dunklem Haar und auffallend hässlichem, doch recht sympathischem Gesicht. Er sah uns an und blickte dann auf jene verlegene Art gleich wieder weg, die man bei schüchternen, aber ehrlichen Menschen oft beobachten kann.
    »Oh, treten Sie doch ein«, sagte er. »Ich wollte gerade weggehen; aber das macht nichts. Darf ich Sie ins Wohnzimmer bitten? Ich rufe meine Frau. Ach, da bist du ja schon, meine Liebe. Chefinspektor Taverner ist gekommen. Sind Zigaretten da? Warten Sie, ich hole schnell welche.« Er stieß mit einem Wandschirm zusammen, sagte verwirrt »O Pardon« zu ihm und ging hinaus. Es war, als hätte sich eine Hummel entfernt, die eine spürbare Stille zurücklässt.
    Clemency Leonides erhob sich am Fenster. Ihre Persönlichkeit beeindruckte mich ebenso wie die Atmosphäre des Zimmers, der sie offenbar ihren Stempel aufgedrückt hatte.
    Die Wände waren weiß, ganz weiß, nicht etwa elfenbeinfarben. Nur über dem Kamin hing ein einziges Bild, eine geometrische Fantasie in dunkelgrauen und marineblauen Dreiecken. Auch die Möbel waren spärlich, bloß was man unbedingt brauchte: vier Stühle, ein Tisch mit Glasplatte, ein kleines Bücherregal. Kein Zierrat. Weite, Licht und Luft bestimmten den Raum, der sich von dem mit Brokat und Blumen geschmückten Salon im Erdgeschoss stark unterschied. Und Clemency Leonides unterschied sich von Magda Leonides in ebenso auffälliger Weise. Bei Magda hatte man das Gefühl, sie könnte mindestens ein halbes Dutzend Frauen sein; Clemency Leonides konnte bestimmt nur sie selbst sein. Sie war eine Frau von

Weitere Kostenlose Bücher