Das Kuckucksei
stellte keine Fragen nach Ellud. Sagte auch nichts zu den Meds.
Dorn schlief jetzt für sich. Veränderungen in seinem Körper machten das ratsam. Er ging in sein Zimmer, eines der vielen Zimmer in diesem Haus, und rollte sich in seiner Zurückgezogenheit zusammen. Duun kam, um nach ihm zu sehen.
»Wachsen meine Ohren noch?« wollte Dorn wissen und blickte von seinem Kissen zu ihm auf, wie er dort in der Tür stand.
Die Ohren. Vielleicht war das die leichteste, am wenigsten schmerzliche Frage. Duun schwieg. Er hatte sich Antworten zu den Krallen und Haaren, der Form ihrer Gesichter und der Verschiedenheit ihrer Lenden zurechtgelegt. Er hatte sich auf alles vorbereitet, nur nicht auf die Ohren.
»Ich glaube nicht«, sagte er. »Es macht mir auch nichts aus. Dir vielleicht?«
Der kleine Schatten in der Bettschale schwieg.
»Du bist ungewöhnlich«, sagte Duun.
Ein Schniefen.
»Ich mag dich so, wie du bist«, erklärte Duun.
»Ich mag dich auch«, sagte die leise, fast geisterhafte Stimme. Wieder ein Schniefen. »Ich mag dich, Duun.« ›Liebe‹ war, erinnerte sich Duun, kein Wort, daß er je gegenüber Dorn geäußert hatte. Ich mag dich. Wie man ein warmes Feuer mochte. Die Sonne auf seinem Rücken.
»Ich mag dich auch, Dorn.«
»Ich will keine Meds mehr!«
»Ich spreche mit ihnen darüber. Möchtest du morgen auf die Jagd gehen? Ich gebe dir ein Messer, das dann dir gehört, und ich zeige dir auch, wie man die Klinge pflegt.«
»Was denn jagen?« Ein Schniefen. Schattenkind wischte sich mit einem Arm die Augen, mit dem anderen die Nase. Seine Stimme klang interessiert.
»Ich bin ein Hatani, Dorn. Es ist schwer, das zu sein. Darum fordere ich dich so sehr.«
»Was ist ein Hatani?«
»Ich zeige es dir. Morgen. Ich bringe es dir bei. Du wirst lernen, auch all das zu vollbringen, was ich kann. Es wird schwer werden, Dorn!«
Das Kind wischte sich wieder über die Augen.
»Morgen, Dorn?«
»Ja.«
»Dann schlaf jetzt.«
Duun kehrte zum Feuer zurück. Der Wind heulte draußen in der Kälte. Die Flammen hüpften. Das Brennholz von den alten Bewohnern war verbraucht. Duun und Dorn verwendeten jetzt einen alten Baumstamm von weiter unten am Berg. Duun zerschnitt ihn mit der elektrischen Säge, die er mit den Vorräten bestellt hatte, und trug ihn Stück für Stück herauf. Keiner von den Landleuten aus dem Tal würde sich an dem Stapel vergreifen, den er unten am Straßenrand errichtet hatte. Sie kamen ihm nicht unter die Augen und hinterließen keine Spuren in der Nähe des Hauses. Aber er wußte, daß sie da waren.
Sie würden die Geduld eines Hatani kennenlernen. Aber die Landleute waren auf ihre Weise auch geduldig. Vielleicht änderten sich die Dinge. Vielleicht starb der Hatani. Vielleicht hatte das Alien einen Unfall. Vielleicht wurde ihr Anspruch wieder rechtsgültig.
Vielleicht hatten sie schlechte Träume unten im Tal, auf der anderen Seite des Berges, außerhalb von Duuns Augen und Gedanken. Vielleicht hatten sie Alpträume, in denen sie sich vorstellten, daß ihre Wälder ihnen nicht mehr gehörten.
Oder daß die Wälder ihnen vielleicht niemals wieder gehören würden.
Er hatte um das Haus und die Ländereien Sheons gebeten. Die Ländereien hatte er nicht genutzt, bis jetzt nicht.
Er holte seine Waffen aus dem obersten Fach des verschlossenen Schranks, wo er sie unzugänglich für neugierige junge Hände aufbewahrte. Er hatte sie häufig hervorgeholt, um sie zu pflegen, und es Dorn zu dessen großer Enttäuschung nie erlaubt, sie zu berühren. Ein Kind sollte unerfüllte Ambitionen haben, sollte einige verbotene Dinge kennen. Zweifellos hatte Dorn versucht, heranzukommen. Kinder waren nicht immer tugendhaft. Das war zu erwarten. Und zu bewältigen.
»Hast du sie je ausprobiert?« fragte Duun, als Dorn ihm gegenübersaß, an der anderen Seite der Decke mit der kleinen Reihe von Messern, Schnur, Draht, den beiden Schußwaffen, einer, die Projektile verschoß, einer, die es nicht tat. »Hast du sie je in der Hand gehabt?«
»Nein«, antwortete Dorn.
»Wirst du es je tun, wenn ich dir sage, daß du es nicht tun sollst?«
Die fremdartigen Augen blickten zu ihm auf, zeigten einen Schrecken, der die Iris in rascher Folge weitete und verengte: eine schnelle, verdächtige Entscheidung, ihm zuzustimmen, den leichten Weg zu gehen, nur zu schnell wieder dagegen zu verstoßen - vielleicht. Wenn ein Kind das wollte. Aber dann würde er ihm schnell mit einem tadelnden Finger ans Ohr schnippsen,
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